Oberflächlich und  fehlerhaft!

Robert Bohn, Uwe Danker, Nils Köhler (Hg.): Der "Ausländereinsatz" in Flensburg 1939-1945, (Verlag für Regionalgeschichte) Bielefeld 2002, IZRG-Schriftenreihe Bd.9

(von Rolf Schwarz)

 

I. Vorbemerkung

 

Welchen Wert besitzt eine Publikation,

·       die auf dem Einband u.a. damit wirbt, dass "rund 3.550 'Fremdarbeiter' [...] während des Zweiten Weltkrieges in der Stadt Flensburg tätig" waren, wenn im Jahre 1944 bereits 4.034 Ausländer in Flensburg weilten,

 

·       die für den 9.10.1944 eine Quelle mit 1.471 Ausländern (ohne westliche Arbeitskräfte) benennt, um später als Ergebnis der möglichst präzisen Datenerfassung für alle Ausländer am 1.9.1944 insgesamt 1.196 und für den 1.3.1945 dann 1.481 angibt,

 

·       in der über Flensburg, der Grenzstadt zu Dänemark, geschrieben wird, ohne eine dänische Quelle zu nutzen,

 

·       in der wissentlich Falschaussagen zum Verlauf der Ausländerbeschäftigung wiederholt werden,

 

·       die einen Beitrag über Displaced Persons bietet, für den der Autor kein Archiv besucht hat?

 

Welche Charakterzüge besitzen Herausgeber, die bereits im Vorwort wissentlich wahrheitswidrig behaupten, dass Flensburg "als bisher einzige Kommune des Landes" den Ausländereinsatz erforschen ließ, wenn das Ergebnis des Lübecker Beschlusses vom September 1994 von den Herausgebern selbst veröffentlicht wurde? Und die Städte  Kiel (Januar 2000) und Rendsburg (Februar 2000) haben entsprechende Beschlüsse ebenfalls nicht verheimlicht.[1]

 

Welches Ziel verfolgen die Herausgeber mit den Aussagen,

·        die "bundesdeutsche Geschichtsforschung hat sich erst seit den 80iger Jahren diesem Thema" zugewandt,

 

·        die Erforschung  in Schleswig-Holstein "setzte noch später ein und beschränkte sich zunächst" auf Methodenfragen und besaß überwiegend lokalen Bezug? Schließlich widmete sich Gerhard Hoch bereits 1980 dieser Problematik und auch die (unvollständige) Literaturliste des IZRG-Gutachtens [2] weist zahlreiche Veröffentlichungen aus Schleswig-Holstein  für die Zeit bis Mitte der achtziger Jahre auf.

 

Bereits das einmalige Lesen des Buches beantwortet die Frage nach dem Wert dieser mit gravierenden Mängeln behafteten Publikation. Sie besitzt  praktisch keine Bedeutung außer dem erneuten Beweis der oberflächlichen und fehlerhaften Arbeitsweise des IZRG und speziell von Prof. Dr. Uwe Danker. Die Publikation leidet unter dem Forschungsansatz und der "Darstellungssucht" des Instituts. Das Vorgehen,  möglichst bequem und  schnell - solange man noch im Lichte der Aktualität glänzen kann - auf schlechter Quellenbasis, die zusätzlich noch fehlerhaft ausgewertet wird, zu publizieren, muss endlich durch die Landesregierung und das Kuratorium des IZRG unterbunden werden. Hierzu wird es nötig sein, dass die Regierung über ihren eigenen Schatten springt. Schließlich liegen viele der Probleme in der dubiosen Berufung des eigenen sozialdemokratischen Pressesprechers Danker zum Professor für Geschichte begründet.[3] Das zuständige Ministerium muss Danker zwingen, seriöse, d.h. auch arbeitsintensive Forschung zu betreiben, sonst droht die gut gemeinte Idee, ein Institut zur Erforschung der Zeit- und Regionalgeschichte einzurichten, endgültig zu scheitern.

 

Die folgenden Eindrücke, Bemerkungen, Fragen und Korrekturen stellen im engeren Sinne keine Rezension dar. Deshalb befindet sich - soweit benutzt - die Bezeichnung "Rezensent" in Anführungszeichen. Sie sind nach einmaligem Lesen und einer Kontrolle anhand der bei mir liegenden Unterlagen und Literatur verfasst worden. Mit Sicherheit würden bei erneutem Lesen weitere Ungereimtheiten auffallen. Diese Feststellung gilt insbesondere für das seit einiger Zeit vorliegende IZRG-Gutachten zur Zwangsarbeit: Trotz intensiver vorheriger Lektüre fallen einem auch heute noch weitere Fehler auf. So zuletzt die fehlerhaften Berechnungen Dankers im Buch "Ausländereinsatz in der Nordmark" (S.65) und die unsinnigen Ausführungen auf derselben Seite zur frühzeitigen Partizipation (siehe weiter unten).

 

 

II. Die Beiträge im Überblick

 

Robert Bohn, Einführung: Der "Ausländereinsatz" in der deutschen Kriegswirtschaft und der Arbeitskräftebedarf in Flensburg, S.9-41.

 

Uwe Danker, Ausländer im "Arbeitseinsatz" in Flensburg 1939 bis 1945: Zahlen, Daten, Fakten, S.42-86.

 

Nils Köhler und Sebastian Lehmann, Lager, Ausländerunterkünfte und Kriegsgefangenenkommandos in Stadt- und Landkreis Flensburg 1939-1945, S.87-93.

 

Markus Oddey, ".. weniger Arbeit, aber eine Behandlung wie deutsche Arbeiter" - Die Perspektive der kommunalen und provinziellen Organe, S.94-111.

 

Claus Heinrich Bill, Alltag und Alltagsleben von 'Fremdarbeitern' in Flensburg 1939-1945 - Die Perspektive der Zwangsarbeitenden, S.112-136.

 

Christian Jacobs, "Der Zwangsarbeitende als Arbeitskollege und Nachbar" - Die Perspektive der "Volksgemeinschaft", S.137-153.

 

Marcus Oddey und Katrin Schönebein, Vom "Feind" zum "Verkünder des deutschen Nationalismus" - Zwangsarbeitende in der Berichterstattung der 'Flensburger Nachrichten' 1939-1945, S.154-180.

 

Broder Schwensen, Flensburg, Mai 1945, S.181-193.

 

Michael Ruck, Im Transit - "Displaced Persons" in Flensburg nach der Befreiung, S.194-201.

 

Sebastian Lehmann, "Ich habe in Flensburg keine Zwangsarbeiter kennen gelernt" - Die juristische Behandlung des 'Fremdarbeiter-Einsatzes' in den Spruchgerichtsverfahren der britischen Besatzungszone, S.202-220.

 

Robert Bohn, Uwe Danker, Nils Köhler, Fazit aus geschichtswissenschaftlicher Sicht, S.221-227.

 

Michael Dahl und Christian Jacobs, Aktenlage und Aktenrecherche, S.228-231.

 

Michael Dahl und Nils Köhler, Literaturauswahl, S.232-246.

 

III. Schlussbemerkungen und Aufforderung zur Antwort

 

 

[1] Im Vorwort der Printfassung des Gutachtens schreiben Bohn und Danker zum Beitrag Christian Rathmers, dass "die örtliche Bearbeitung als beispielhaft gelungen gelten kann." Die Ergebnisse des Lübecker Beschlusses waren bereits 1998 und 1999 publiziert worden: Christian Rathmer, "Ich erinnere mich nur an Tränen und Trauer". Zwangsarbeit in Lübeck 1939 bis 1945. In: Demokratische Geschichte 11 (1998), S.115-160 (Mitherausgeber Uwe Danker) und unter dem gleichen Titel aber ausführlicher im Klartext-Verlag Essen 1999. Teilaspekte wurden erneut im Gutachten des IZRG zur Zwangsarbeit veröffentlicht. "In den Jahren 1995 bis 1997 ließ der Senat der Hansestadt Lübeck dieses finstere Kapitel der Stadtgeschichte untersuchen und in einer Ausstellung dokumentieren."  Christian Rathmer, "Ich erinnere mich nur an Tränen und Trauer" - Zwangsarbeit in Lübeck 1939 bis 1945. In: Uwe Danker, Robert Bohn, Nils Köhler, Sebastian Lehmann, "Ausländereinsatz in der Nordmark" - Zwangsarbeitende in Schleswig-Holstein 1939-1945, Bielefeld 2001, S.395. Die Herausgeber kannten somit den Beschluss der Stadt Lübeck.

 

[2] Uwe Danker, Robert Bohn, Nils Köhler, Sebastian Lehmann, "Ausländereinsatz in der Nordmark",  S.593-618. Im Gegensatz zur Printfassung wird hier vorsichtiger von einer "Literaturauswahl" gesprochen. Soweit der Begriff Gutachten benutzt wird, bezieht sich dieser im Folgenden auf die Buchpublikation, da die Printfassung des Gutachtens für viele nicht mehr greifbar und auch die Onlinefassung vom IZRG aus dem Netz genommen worden ist.

 

[3] Vgl. z.B. Landesrechnungshof Schleswig-Holstein, Bemerkungen 2002 (www.lrh.schleswig-holstein.de); Frank Omland, Kein Phönix aus der Asche - das IZRG oder: vom Scheitern einer guten Idee.  Und Thomas Pusch, Das IZRG - ein Opfer der eigenen Strukturen.  In: ISHZ Nr.36, S.73-83 und S.84-89.