Uwe Danker, Ausländer im "Arbeitseinsatz" in Flensburg 1939 bis 1945: Zahlen, Daten, Fakten (S.42-86).

 

Dieser mit Diagrammen gespickte Beitrag wirkt optisch sehr zuverlässig, entpuppt sich beim näheren Hinsehen jedoch als Zahlenspielerei. Der Artikel behandelt nach eigener Ankündigung "rein quantifizierende Fragestellungen." Er offenbart aber eine große Unfähigkeit, Zahlen aus mehreren Quellen zusammenzutragen und zu vergleichen. Außerdem fehlt Danker einfach die Kenntnis über weitere Quellen. Es sollen hier nur die gröbsten Versäumnisse angesprochen werden. Nicht weiter kommentiert wird Folgendes:

 

·        die Aussage zu den fehlenden Dänen in den von der AOK nach dem Kriege im Jahre 1946 für den Internationalen Suchdienst erstellten Listen über die bei ihr versicherten ausländischen Zwangsarbeiter: Die "Sachbearbeiter (mochten) - aus nachvollziehbar guten Gründen - keinen inhaltlichen Zusammenhang zwischen der Zwangsarbeiterbeschäftigung und den dänischen 'Deutscharbeitern' erkennen" (S.57). Eine sehr merkwürdige und zweifelhafte Einschätzung Dankers, die zu verhindern gewesen wäre, wenn er die von Christian Rathmer veröffentlichte Meldung des Lübecker Generalanzeigers vom 26.6.1940 gekannt hätte: "Während der Beschäftigung in Deutschland sollen die Betreffenden ihre dänische Kranken-, Invaliden- und Arbeitslosenversicherung aufrechterhalten."[7a] Von den Dänen ist also anzunehmen, dass sie im Normalfall in Dänemark sozialversichert waren und von den Sachbearbeitern der AOK gar nicht gefunden werden konnten.

 

·        die nicht deckungsgleichen Zahlen in einzelnen Diagrammen,

 

·        die nicht verfolgte Frage, ob der Wehrkreisbefehlshaber die Zusage einer weitgehenden UK-Stellung von Bauern und landwirtschaftlichen Dauerarbeitern auch eingehalten hat (S.60),

 

·        die falsche Aussage, dass generell "circa ein Drittel der im Arbeitseinsatz befindlichen Ausländer zur Kategorie der Kriegsgefangenen zählten. Das heißt im Schnitt ist jeweils die Hälfte der erfassten zivilen 'Fremdarbeiter' noch einmal zu addieren, wenn man Gesamtzahlen anstrebt" (S.55),

 

·        die pauschale Behauptung: "Regional verfeinerte statistische Erhebungen des Arbeitsamtes Flensburg sind - wie andernorts auch - nicht erhalten oder jedenfalls bisher nicht aufgefunden worden."(S.53) L. Homze hat z.B. die monatlichen Tätigkeitsberichte des Remscheider Arbeitsamtes gefunden und er weist auf Seite 315 zusätzlich auf entsprechende Quellen von "scattered Labor Offices throughout the Reich" hin.

 

1) Bevor näher auf die "quantifizierenden Fragestellungen" eingegangen wird, soll ein typisches Beispiel für die Arbeitsweise Dankers vorgestellt werden (vgl. dazu auch weiter unten Punkt 3). Auf Seite 64 findet der Leser in Anmerkung 64 die Behauptung: "Die von Hohnsbehn zitierte Quelle über 500 Tschechen zu diesem Zeitpunkt in Flensburg erscheint als unseriös." Warum diese Quelle unseriös erscheint, wird nicht näher begründet. Fakt ist, Danker findet in seinen Daten keine 500 Tschechen. Anstatt seine Quellenbasis zu hinterfragen, erklärt er andere Unterlagen lieber zu unseriösen. Welche Quelle damit gemeint ist, müsste der Leser im Artikel von Hohnsbehn nachschlagen. Es handelt  sich um den Verwaltungsbericht der Stadt Flensburg, der ansonsten als Quelle von den Gutachtern genutzt wird.

 

2) Der Artikel beginnt mit einer Beschreibung der verwendeten Daten und Programme, um sich dann dem Verlauf der Ausländerbeschäftigung in Schleswig-Holstein zu widmen. Dabei übernimmt Danker erneut seine Fehler aus dem Gutachten.[7] Hierfür nur drei Beispiele:

 

a) Mit der Übernahme seiner Branchenverteilung (S.47) aus dem ersten Gutachten zur Zwangsarbeit in das Flensburgbuch belegt Danker seine Bereitschaft zur Geschichtskonstruktion. Die Einteilung in die dankerschen Bereiche besitzt kaum Beziehung zur Realität. Einige Beispiele, es gibt mehr: Zum öffentlichen Dienst zählt Danker das Friseurgewerbe (Wirtschaftszweig abgekürzt Wzw. 54), dafür die Bauverwaltung (Wzw. 39a) zur Branche Bau/Dienstleistungen statt zum öffentlichen Dienst. Der Landwirtschaft zugehörig sind nach Meinung Dankers die Mitarbeiter der Fischindustrie (Wzw. 32) oder die im Bergbau (Wzw. 3) Beschäftigten. Seine fehlerhafte Brancheneinteilung kennt Danker seit Monaten.[8]

 

b) Danker traktiert dann auf den Seiten 48 ff. den Leser des Flensburgbuches mit falschen Zahlen über den Arbeitseinsatz in Schleswig-Holstein. Der absolute Höhepunkt der Ausländerbeschäftigung ist natürlich nicht am Jahresende 1943 mit 186.363 gegeben. Wie im Reich bildet der 30.9.1944 auch in Schleswig-Holstein den nachgewiesenen Höhepunkt. Im Dezember 1943 arbeiteten ca. 158.000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in Schleswig-Holstein. Am 30.9.1944 waren es rund 169.000 Ausländer. Das weiß auch Danker seit einigen Monaten.[7] Für die Zeit zwischen dem 30.9.1944 und dem Kriegsende wurden bis jetzt keine zuverlässigen Zahlen gefunden. Es gibt allerdings Hinweise, die ein weiteres Ansteigen der Zahlen vermuten lassen. Danker unterschlägt, dass das Stalag XA auch für Hamburg zuständig war und im Dezember 1943 über 20.000 Kriegsgefangene des Stammlagers XA dort arbeiteten.

 

c) Er behauptet wider besseren Wissens, die Fluktuation in einen anderen Landesarbeitsamtsbezirk sei marginal gewesen (S.71, Anmerkung 80), obwohl in einem Jahr einige tausend Zwangsarbeiter gewechselt haben.[9] Er konstruiert statt einer korrekten Wiedergabe der historischen Verhältnisse lieber seine Vorstellung von Schleswig-Holstein und führt den Käufer und Leser seiner Ausführungen bewusst hinters Licht.

 

3) Wie beliebig Danker mit Geschichte umgeht, zeigt er im Umgang mit dem Problem der Umstrukturierung und Neuschneidung der Arbeitsamtsbezirke im November 1943 (S.48f.). Im Gutachten (S.47) ist für ihn deshalb "ein unmittelbarer, dynamisierter Vergleich der Daten" über die Beschäftigung von Ausländern in den einzelnen Arbeitsamtsbezirken "bis November 1943 und danach .. nicht möglich". Im Flensburgbuch sind diese Bedenken auf einmal nicht mehr vorhanden. Im Interesse einer Vergleichbarkeit der Daten werden die veränderten Verhältnisse ganz einfach durch "Interpolation" zurechtgebogen: Die Zahlen des Arbeitsamtes Schleswig werden um ein Drittel reduziert und der Rest dem Arbeitsamtsbezirk Flensburg zugeschlagen. Danker unterlaufen bei dieser zweifelhaften Methode zusätzlich einfache mathematische Fehler.[10] Zu keinem Datum stimmen seine Berechnungen auf S.49 mit dem mathematisch richtigen Ergebnis überein.

 

4) Dankers Bereitschaft die Kopiertaste des Computers zu bedienen, ist gehäuft anzutreffen. Auf S.50 schreibt er: "Es wird bei den Zahlenentwicklungen sehr deutlich, dass in Schleswig-Holstein - wie im Arbeitsamtsbezirk Flensburg - phasenverschoben, und zwar etwa ein Jahr früher, bereits die Höchststände der Ausländerbeschäftigung erreicht wurden." Diese Formulierung entstammt - bis auf den Einschub über den Arbeitsamtsbezirk Flensburg - fast wörtlich dem ersten Gutachten. Aber sie trifft für den Arbeitsamtsbezirk Flensburg trotz der dankerschen Interpolation so nicht zu.

 

Im Gutachten publizierte Danker für diese These das Diagramm 16 auf Seite 63, in dem Prozentangaben einen Vergleich zwischen Schleswig-Holstein und dem Deutschen Reich ermöglichten. Diese Angaben bezogen sich jeweils auf die Werte für den 30.9.1944, die zu Grundwerten (100%) erklärt wurden. Die Angaben für Schleswig-Holstein und das Deutsche Reich in der nachfolgenden Tabelle sind korrekt und hinreichend genau statistisch abgesichert.

 

Gleiches kann nicht für die Spalte "Flensburg" gesagt werden. Die vom "Rezensenten" in dieser Spalte aufgelisteten Prozentangaben sind zwar mathematisch korrekt ermittelt worden. Als Grundlage dienten aber die durch "Interpolation" von Danker ermittelten absoluten bzw. nicht hinreichend genauen Beschäftigtenzahlen. Das Ergebnis ist eindrucksvoll und beweist, wie unzuverlässig die von Danker gewählte methodische Vorgehensweise ist. Im Arbeitsamtsbezirk Flensburg müsste sich demnach die Entwicklung des Ausländeranteils anfänglich deutlich von der in Schleswig-Holstein unterschieden haben. Am 31.1.1941 müsste sie mit 20,4% sogar unter dem Reichsdurchschnitt von 21,9% gelegen haben. 1942  bewegte sie sich scheinbar zwischen dem Wert für Schleswig-Holstein und dem Wert für das Deutsche Reich. Bereits am 30.6.1943, also wesentlich früher als die Entwicklung in Schleswig-Holstein, hätten sich demnach die Beschäftigungsverhältnisse in Flensburg der Entwicklung im Deutschen Reich angeglichen. Alle diese Überlegungen sind Makulatur, da sie auf einer falschen Zahlenbasis der Verfasser des Gutachtens für Flensburg beruhen.

 

Datum

Schleswig-Holstein

Flensburg

Deutsches Reich

31.1.1941

25,8

20,4

21,9

20.1.1942

46,8

44

35,8

10.7.1942

74,3

64,2

52,8

30.6.1943

90,8

82,2

82,8

30.12.1943

90,7

91

91

30.9.1944

100

100

100

 

 

5) Die Behauptung, dass andere landwirtschaftliche Regionen ebenfalls relativ früh vom Zwangsarbeitereinsatz profitiert hätten, ist unstimmig. "Diese phasenverschobene Entwicklung einer frühen Expansion der Ausländerbeschäftigung ist kennzeichnend auch für andere Agrarregionen des Reiches."(S.51) Welche Agrarregionen das sein sollen, wird nicht genannt. Als Beleg für diese These dienen auf Seite 64 des Gutachtens für Schleswig-Holstein lediglich zwei Karten aus dem Jahre 1941, die allerdings keine wirtschaftlichen Daten enthalten und zudem eine Entwicklung veranschaulichen sollen, die bis ins Jahr 1943 reicht. Weiterhin gab es doch auch Agrarregionen, in denen die Beschäftigung von Ausländern genau umgekehrt verlief, da sie relativ spät einsetzte.

 

6) Dankers Aussagen über die frühe und umfassende Partizipation des Arbeitsamtsbezirkes Flensburg entspringen seinen Wunschträumen. Das belegt auch die Arbeitsbucherhebung vom 15. August 1941. Zu diesem Datum landete der Bezirk mit 6,6% ausländischen Beschäftigten weit abgeschlagen auf dem letzten Platz in Schleswig-Holstein, das eine durchschnittliche Beschäftigungsquote für Ausländer von 11,6% aufwies und im Arbeitsamtsbezirk Heide mit 18,3% seine Spitze besaß. Auf diese Erhebung wurde Danker übrigens am 12.5.2002 im Rahmen der Mailingliste zur NS-Zwangsarbeit, deren Mitglied er ist, hingewiesen.

 

7) Im Beitrag wechselt Danker zu oft die Bezugsebenen. Mal ist es die Stadt Flensburg, dann der Arbeitsamtsbezirk Flensburg oder die Nordregion. Obwohl als Studie über die Stadt Flensburg angekündigt, lässt sich diese Vorgehensweise auch bei den anderen Autoren beobachten.[11] Unerlässlich ist es bei einer derartigen Vorgehensweise die wirtschaftlichen Daten und die Beschäftigungsverhältnisse für die entsprechende Region vorzustellen. Die offizielle "Arbeitsbucherhebung" vom 15.8.1941 bietet in dieser Hinsicht detaillierte Informationen, z.B. unterteilt nach den Wirtschaftszweigen, den Geschlechtern, Inländern und Ausländern. Auch für den 15.2.1944 gibt es vergleichbare Daten.[12]

 

8) Auf den Seiten 55ff. stößt Danker auf die üblichen Schwierigkeiten beim Bestimmen einer genauen Gesamtzahl. Trotz der häufigen Nutzung von Begriffen wie "präzise" liegt dann das Ergebnis für die Zeit 1939-1945 "zwischen minimal 3.000 und maximal 4.000, mutmaßlich ziemlich genau bei unseren circa 3.500" 'Fremdarbeitern'. Es gelingt ihm nicht diese Zahl hinreichend genau zu bestimmen, da er sich nur auf seine Daten von vier Krankenkassen verlässt und nicht genügend "nach rechts und links" sieht.

 

a)     Üblicherweise wird in statistischen Auswertungen zuerst dargestellt, auf welcher Grundlage diese erfolgt. Das heißt, Danker hätte ermitteln müssen, welche Krankenkassen für Flensburg zuständig gewesen sind. Ansonsten kann nicht beurteilt werden, wie aussagekräftig die von ihm benutzten AOK-Zahlen für Flensburg eigentlich sind.[13] Danker macht es sich mit seiner Formulierung, dass keine anderen Krankenkassen zu erwarten sind (S.56), wieder einmal zu einfach und zeigt seine Unkenntnis. Es gab z.B. noch die Reichspost (1944 in Flensburg 914 Beschäftigte) und die Reichsbahn (1944 mit 1.110 Beschäftigten in Flensburg), die selbstständig versicherten.[14]

 

b)    Auf den Seiten 76ff. listet er dann knapp über 40 (von 4097) Einrichtungen des gewerblichen Bereichs auf, die 2.831 der von ihm insgesamt ermittelten 3.558 Ausländer versichert haben. Das bedeutet, dass sich rund 700 ausländische Arbeitskräfte auf über 4.000 weitere Betriebe verteilt haben müssen. Bei lediglich einer Arbeitskraft pro Betrieb (was angesichts weiterer mittelgroßer gewerblicher Firmen unrealistisch erscheint) wären damit 3.300 ohne Zwangsarbeiter gewesen. Das mutet eher unwahrscheinlich an oder wäre ein so außergewöhnliches Ergebnis, dass es doch näher untersucht werden müsste. Im Widerspruch zu diesem Ergebnis steht außerdem Dankers Hinweis auf Seite 78f., wonach "die gesamte Ökonomie der Stadt" Flensburg vom Ausländereinsatz profitiert haben soll. Diese Widersprüche veranlassen den Autor allerdings nicht, die von ihm benutzten Daten einmal kritisch zu hinterfragen.[15]

 

9) Selbst innerhalb seiner Zahlen hätte er erkennen müssen, dass seine Daten sehr lückenhaft sind. Auf S.53 stellt er eine Liste vor, die für den 9.10.1944 (ohne Belgier, Niederländer, Franzosen, Dänen und Italiener) 1.471 Ausländer angibt. Das Diagramm 6 auf S.58 im Flensburgbuch verzeichnet aber für den 1.9.1944 nur 1.196 'Fremdarbeiter' aller Nationen. Keine sehr glaubwürdige Angabe! Welche gravierenden Veränderungen müssen sich also im Monat September 1944 in Flensburg abgespielt haben?

 

Die Liste vom 9.10.1944 (die die westeuropäischen Zwangsarbeiter nicht berücksichtigt) weist nach Hohnsbehn schon 934 Ostarbeiter aus. Danker hat jedoch für den 1.9.1944 nur 467 Ostarbeiter (vgl. Diagramm 8) ermitteln können. Und laut Diagramm 10 sollen diese 467 Ostarbeiter die Höchstzahl der jemals zeitgleich in Flensburg weilenden Ostarbeiter darstellen.

 

Eine Addition der Listenangabe (1.471 Ausländer am 9.10.1944) und der von Danker in Diagramm 9 (S.63) angegebenen Anzahl westlicher Arbeitskräfte ergibt rein rechnerisch für  den September/Oktober 1944 eine Summe von rund 2.000 Zwangsarbeitern in der Stadt Flensburg und nicht 1.196. [16] Anders formuliert: Danker hätte zu diesem Datum nur knapp 60% der tatsächlichen Anzahl ausländischer Arbeitskräfte erfasst. Bezogen auf die von Danker (fälschlicherweise) vermutete Zahl von 3.558 Ausländern (siehe 8b), müssten dann tatsächlich 5.950 Ausländer während des zweiten Weltkrieges in Flensburg gewesen sein. Diese Zahl überrascht im ersten Moment, dürfte aber nicht ganz unrealistisch sein, wie folgende Quelle des Gesundheitsamtes Flensburg zeigt.[17]

 

10) Danker fehlt einfach die notwendige Quellenkenntnis. Wesentliche Aktenbestände sind von ihm nicht ausgewertet worden, z.B. die Angaben des Gesundheitsamtes Flensburg vom Sommer 1945: Im Rahmen der neu beginnenden Überwachung der Volksgesundheit werden für 1944 insgesamt 4.034 "Verschleppte", also Zwangsarbeiter, genannt.[18]

 

11) Danker unterzieht seine Daten keinen Plausibilitätsprüfungen. Hier sollen neben der in Nr.8b aufgezeigten weitere Möglichkeiten kurz angedeutet werden.

 

a) Ohne Berücksichtigung der Kriegsgefangenen stellten die ausländischen Arbeitskräfte am 15.2.1944 in Schleswig-Holstein und im Arbeitsamtsbezirk Flensburg rund 25% der Arbeitskräfte. Danker ermittelt für den 1.März 1944 in der Stadt 1.139 'Fremdarbeiter'. Bei gleichem Beschäftigungsgrad (25%) wären an diesem Datum insgesamt lediglich 4.556 Personen in Flensburg beschäftigt gewesen.

 

Dem "Rezensenten" liegt nun aber eine Liste vom Februar 1944 vor, in der (lediglich) 25 Betriebe erwähnt werden, die bereits weit über 6.000 MitarbeiterInnen beschäftigten.[19]

 

Zum Vergleich ein Beispiel aus Lübeck: Dort gibt es für den März 1944 die Zahl von 17.881 Ausländern. Der Arbeitsamtsbezirk Lübeck besaß ebenfalls eine Ausländer-Beschäftigungsquote von rund 25%. Das ergibt für die Gesamtbeschäftigten eine Anzahl von 71.524 Personen. Diese Zahl kann durchaus als realistisch eingeschätzt werden, denn sie liegt nur etwas über der Angabe in der  "Nichtlandwirtschaftliche(n) Arbeitsstättenzählung" von 1939.

 

b) Die von Danker für den März 1944 (fälschlicherweise) ermittelten 1.139 zivilen Ausländer würden lediglich 4,9% der 23.025 im Mai 1939 in Flensburg Beschäftigen darstellen. Das entsprechende (hinreichend statistisch abgesicherte) Vergleichsergebnis für Schleswig-Holstein lautet dagegen 28,6%. [20] Ein derartiger Unterschied ist nicht realistisch, da die Beschäftigungsquoten in etwa gleich gewesen sind.

 

c) Weiterhin würden die 1.139 zivilen Ausländer nur rund 3% der in Flensburg im Mai 1939 Berufstätigen darstellen. Für ganz Schleswig-Holstein betrug der Vergleichswert aber 11,8%. [21] Diese Differenzen bestehen keine Signifikanzkontrolle. Dankers Zahl von 1.139 ist so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto.

 

12) Erneut unternimmt das IZRG keine Anstrengungen, Quellen aus dem Ausland zu erschließen. Quellenbestände im Ausland sind ja mittlerweile hinreichend vorgestellt worden. Für Flensburg ergeben z.B. die Namenslisten der Belgier, die den Modell-96-Bögen für die Lager Trollsee und Junkerhohlweg angehängt sind, und eine Auflistung über Krankenbehandlungen in der Diakonissenanstalt Flensburg aus belgischen Archiven mehr als eine Verdoppelung der von Danker im Diagramm 11 ermittelten Anzahl von Belgierinnen und auch mehr Belgier. Auch wenn Danker anführt "nicht den Anspruch (zu) erheben, die ganz exakten Gesamtzahlen der verschiedenen nationalen Gruppen der Flensburger 'Fremdarbeiter' bestimmt zu haben" (S. 57), sollte er die vorhandenen Quellen nutzen, um seine Daten einzuordnen. Zusätzlich ergeben sich aufschlussreiche Hinweise aus den Krankenhausaufzeichnungen über den Arbeitsalltag auf der Werft und über die Lebensbedingungen im Lager Trollsee.

 

13) Gerade angesichts der von Danker selbst beschriebenen Unsicherheiten ist es erforderlich alle erreichbaren Quellen zu erfassen und auszuwerten. Danker beschreibt lediglich die Versicherungsverhältnisse von vier Krankenkassen. [22]

 

14) Unangenehm fällt auf, dass zu viele Texte - übrigens nie als Zitat gekennzeichnet - komplett über die Kopiertaste des Computers übernommen wurden. "Die Hauptausbauphase der Ausländerbeschäftigung in Schleswig-Holstein setzt sich in der ersten Jahreshälfte 1942 fort, im Sommer wird die Marke der 100.000 überschritten. Ein Jahr später liegt die Gesamtzahl bei 122.000, bleibt sehr stabil auch im Winter, um 1944 mit 134.000 im Spätsommer den Höchststand der von der Arbeitsverwaltung gesteuerten zivilen Ausländerbeschäftigung zu erreichen."[23] Diese Aussage wird auch durch die permanente Wiederholung nicht richtiger, denn im Winter 1943/44 war die Anzahl der beschäftigten Ausländer nicht stabil. Sie stieg zum einen um ca. 7.000 an, sank dann aber auch wieder in gleicher Größenordnung. Diese Zahlensprünge sind Danker übrigens seit langem bekannt, werden aber von ihm ignoriert.

 

Wie oben am Beispiel der angeblichen "frühzeitigen Partizipation" aufgezeigt, führt diese Kopierbereitschaft zu schnell dazu, Forschungen in ein vorgegebenes Korsett zu pressen. Gerade angesichts der Wiederholung zahlreicher ihm bekannter Fehler muss gefragt werden, wo die Grenzen zwischen medialer Selbstinszenierung, Bequemlichkeit, Faulheit, Pfusch oder Betrug verlaufen?

 

 

[7a] Christian Rathmer, "Ich erinnere mich nur an Tränen und Trauer...", Zwangsarbeit in Lübeck 1939 bis 1945, Klartext Verlag, Essen 1999, S.27.

 

[7] Zu weiteren Fehlern siehe die Rezension der Gutachten vom Mai 2002.

 

[8] Wenn Danker dann als Reaktion auf die Kritik seiner Branchenerfindungen u.a. wissentlich wahrheitswidrig  behauptet, er habe den Bergbau unterschlagen und nicht dazu gezählt, beweist er seine Unfähigkeit, Kritik zu ertragen, sehr deutlich. Uwe Danker, Antwort auf die Kritik von Rolf Schwarz. In: Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein (Hg.), "Informationen zur schleswig-holsteinischen Zeitgeschichte (ISHZ) Nr.40, S. 88.

 

[9]  Die Aussage, dass die Landesarbeitsämter ihre Arbeitskräfte möglichst innerhalb des eigenen Bezirks rekrutieren sollten, ermöglicht für das Arbeitsamt Nordmark (bis zum Frühjahr 1943 Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Hamburg, Stade) einen Wechsel raus aus der Provinz  und stellt keineswegs einen Beleg für eine überwiegende Binnenwanderung dar und dass kaum Wechsel stattgefunden haben können.

 

[10]  Die Überlegung Dankers negiert ganz einfach mögliche Veränderungen bei den Beschäftigtenzahlen in den Arbeitsamtsbezirken, die unabhängig von der Neuschneidung der Zuständigkeit auftreten konnten. Während die Zahlen für das Gebiet des Arbeitsamtes Flensburg am 30.12.43 seine Annahme (einer Steigerung der Anzahl der beschäftigten Ausländer) bestätigen könnten, trifft dies für den Bezirk Kiel absolut nicht zu (weil die Anzahl der Ausländer sich hier reduzierte). In den offiziellen Angaben im "Arbeitseinsatz" hat übrigens kein Vergleich der Zahlen für den 30.9. und 30.12.1943 stattgefunden, wie es aus Dankers Formulierung auf Seite 48 geschlossen werden  könnte.

 

[11] Ein Bericht der IHK Flensburg kann sich auf die Stadt Flensburg oder auf den Bezirk der IHK, der wesentlich größer ist, beziehen. Das muss jeweils angegeben werden.

 

[12] Siehe die demnächst erscheinenden ISHZ Nr.41.

 

[13]  Auch für den Kreis Schleswig unterließ Danker diese Prüfung und behauptete im Gutachten, die AOK wäre alleinige Versicherung für Ausländer gewesen, was definitiv falsch ist. Im Flensburgbuch basieren die Daten des Kreises Schleswig dann "auf  der monopolartigen AOK-Datei" (S.75). Danker weist mit seiner Drittelregelung die Unvollständigkeit seiner für den Kreis Schleswig erhobenen Daten perfekt nach. Am 30.9.1943 meldete der Arbeitsamtsbezirk Schleswig 9.201 Ausländer. Der Bezirk umfasste neben den Kreisen Schleswig und Eckernförde (jeweils mit einigen Ausnahmen) auch einige Gemeinden im Kreis Flensburg. In dem Gebiet ohne den Kreis Eckernförde wären nach Dankers Überlegung somit über 6.000 Zwangsarbeiter beschäftigt. Er selber benennt im Gutachten (S.73) für den Kreis Schleswig lediglich 3.250 Ausländer für den Sommer 1943. Sowohl seine Zahlen für den Kreis Schleswig wie auch die Drittelregelung sind nicht haltbar. Der Leser des Flensburgbuches erfährt trotz der häufigen Nutzung der Schleswigdaten nichts von den Zweifeln an deren Zuverlässigkeit.

 

[14] Am 15.2.1944 betrug der Ausländeranteil bei der Reichspost und der Reichsbahn in Schleswig-Holstein (ohne Kriegsgefangene) 20%, im AA Flensburg waren es 13,4%.

 

[15]  Auch die von Bohn genannte Zahl von 2.837 Betrieben würde zu einem niedrigeren aber ähnlichen Ergebnis führen. Die im Buch publizierte Zahl von 2.837 Betrieben sollte er zumindest kennen.

 

[16] Der angebliche Höchststand der Ausländerbeschäftigung mit 1.523 Zwangsarbeitern (S.70) an einem Tag entpuppt sich als Märchenstunde.

 

[17] Hier sollen keine neuen Zahlen ermittelt werden, sondern lediglich die Unstimmigkeiten verdeutlicht werden.

 

[18] LAS Abt.309 Nr.35175. Er  kennt also nicht einmal die Quellen des Gutachtens zur Zwangsarbeit. Dort taucht diese Quelle ebenfalls auf. Harro Harder, 'Fremdarbeiter' und Kriegsgefangene in Dithmarschen 1939 bis 1945. In: "Ausländereinsatz in der Nordmark", S. 380. Diese Quelle wurde bereits vor  Jahren publiziert.

 

[19]  Siehe Anmerkung 12.

 

[20]  Die Angaben beziehen sich auf die "Nichtlandwirtschaftliche Arbeitsstättenzählung" vom 17.5.1939 (Statistik des Deutschen Reiches, Band 568,8, S.47ff.). Die Bezeichnung Beschäftigte ist zu unterscheiden von der Bezeichnung Berufstätige.

 

[21] Als Berufstätige galten bei der Volkszählung 1939 alle Erwerbstätigen einschließlich ihrer Angehörigen ohne Hauptberuf.

 

[22]  Mit der Formulierung "Listen weiterer Betriebe deuten eine mögliche Unvollständigkeit - also eine Versicherung vereinzelter (Hervorhebung R.S.) Ausländer anderswo - an; weitere Betriebskrankenkassen aber sind bei den jeweils sehr geringen Beschäftigtenzahlen der übrigen, Ausländer beschäftigenden Firmen kaum zu erwarten." (S. 56) schreibt Danker sich seine Unterlagen schön. Siehe die Hinweise zur Reichspost  und Reichsbahn. Außerdem gab es nicht nur die AOK und die Betriebskrankenkassen.

 

[23] Gutachten S.41, Flensburgbuch S.49f. Ziemlich identisch die Formulierung in Uwe Danker, Annette Grewe, Nils Köhler, Sebastian Lehmann (Hg.), "Wir empfehlen Rückverschickung, da sich der Arbeitseinsatz nicht lohnt". Zwangsarbeit und Krankheit in Schleswig-Holstein 1939-1945, Bielefeld 2001, S. 29f.