„Ich war glücklich, es fehlte uns an nichts.“

In meiner Familie waren die Eltern meiner Mutter, mein Mann und ich Zwangsarbeiter. Mein Mädchenname ist Serodojewa – Baranowska nannte ich mich, bevor ich nach Deutschland verschleppt wurde. Mein Name hat eine Geschichte: Als die russische Armee Polen angriff, wurden viele zwangsumgesiedelt. Mein Vater fürchtete um unsere Familie. Ein sehr guter Mensch half: Um unser Leben zu schützen, veränderten wir mit seiner Hilfe unsere Namen, so dass sie nicht polnisch, sondern russisch klangen.

Ich besuchte die Oberschule in Suwalki, das ist eine Stadt im Nordosten Polens, und arbeitete danach in einem Büro. Ich bereitete Rechnungen vor, schrieb diese und bearbeitete alle damit zusammenhängenden Fragen. Das Leben war gut. Meine Familie wohnte in einem großen Haus. Jedes Kind hatte sein eigenes Zimmer, die Nachbarn waren sehr freundlich. Ich war glücklich, es fehlte uns an nichts. Ich hatte viele Träume und war zuversichtlich, dass die meisten ganz bestimmt in Erfüllung gehen würden.

Am Tag, als der Krieg ausbrach, waren wir zu Hause. Vom Fenster aus sah ich, wie die Gebäude um uns herum in Flammen aufgingen. An der Strasse waren sehr viele Blumen - nun war alles unheimlich schwarz, man konnte überhaupt nichts mehr erkennen. Jeder betete unaufhörlich. Meine Mutter schrie verzweifelt: „Wieder Krieg und Blutvergießen, warum??“. Am nächsten Morgen war es mucksmäuschenstill. Man konnte meinen, alles wäre nur ein Alptraum gewesen. Aber leider war es kein Alptraum. Ich überlegte, warum musste ich in solcher Zeit geboren sein, warum musste ich solch furchtbare Situationen erleben. Da wusste ich noch nicht, dass das erst der Anfang war und alles noch viel, viel schlimmer kommen sollte.

Eines Morgens, Anfang September, ungefähr um 8 Uhr, rückten die Deutschen in unseren Ort ein. Wer auch nur den Anschein von Gegenwehr machte, wurde ohne Erklärung sofort erschossen. Es gab keine Möglichkeit zu flüchten, wir mussten uns den deutschen Soldaten ergeben. Meine Eltern warfen sich gegenseitig vor, nicht rechtzeitig in ein anderes Land geflohen zu sein, wo keine Gefahr drohte.