„Die Menschen wurden in eine Scheune gejagt –
und die Deutschen setzten sie dann in Brand“

Fast anderthalb Jahre vergingen. Mein Bruder und mein Vater gingen auf’s Feld - aber fast die gesamte Ernte wurde von der deutschen Armee einkassiert. Meine Mutter, meine Schwester und ich arbeiteten im Krankenhaus und halfen den Ärzten, verletzte Polen und in dringenden Fällen auch Deutsche, zu behandeln. Das war unangenehm, überall war immer Blut um uns herum. Doch wir waren sehr froh, dazu beitragen zu können, Leben zu retten.

Die echte Hölle begann im März 1941: Deutsche stürmten unser Haus und nahmen ohne jede Erklärung meinen Vater und mich mit. Wir vermuteten gleich warum. Eine Woche zuvor hatten wir nämlich polnischen Partisanen mit Kleidung, Essen usw. geholfen. Und nun hatte uns ganz offenkundig jemand bei den Deutschen denunziert, vielleicht aus Angst oder um sich so selbst zu schützen.

Ich konnte mich nicht mehr von meiner Familie verabschieden und war fast besinnungslos vor Angst, sie nie wieder zu sehen. Ich war voller Entsetzen, wie nie zuvor in meinem Leben. Ein bisschen ruhiger wurde ich erst, als ich richtig mitbekam, daß ja mein Vater bei mir war. Wir wurden mit lauten, kurz abgehackten Befehlen auf einen Lastwagen gescheucht - zu vielen anderen, die sich schon zusammengekauert und völlig verängstigt auf der Ladefläche befanden. Es waren dort Frauen, Kinder, Männer und ein Pfarrer. Der betete ununterbrochen: „Alles wird gut, der Glaube kann Wunder vollbringen“. Es wurden brüllend immer mehr Menschen eingesammelt und als wirklich niemand mehr auf das Auto passte, verließen wir unseren Ort. Aufgeregt schrieen alle wild durcheinander, keiner wusste, was die Deutschen mit uns vorhatten, denn sie sprachen nicht mit uns. Sie gaben nur kurze Kommandos und Befehle in einer Tonart, dass keiner zu fragen wagte – und erst recht nicht zu protestieren oder zu flüchten.

Irgendwann machte der Lkw unterwegs plötzlich einen Stopp. Wieder kamen kurze, schnarrende Befehle, dass jeder, dessen Name aufgerufen wurde, vom Lkw runter musste. Mein Vater war auch darunter. Wir wurden voneinander getrennt. Es war fürchterlich und wir beide mussten sehr weinen. Wir konnten uns nichts mehr sagen, nicht richtig umarmen, keinen Abschied voneinander nehmen. Die Soldaten waren unberechenbar und duldeten nicht, dass man nicht sofort das tat, was sie befahlen.

Ich konnte noch kurz vor der Weiterfahrt sehen, wie die Gruppe, unter ihnen auch der Pfarrer, im Laufschritt zu einer nahe gelegenen Scheune gejagt wurde. Als sie voller Menschen war und niemand mehr rein passte, haben die Soldaten sie in Brand gesetzt (was ich erst viel später erfahren habe). Mein Vater war auch in der Scheune.