Die Belegung des Stalags XA

 Einigermaßen zuverlässige Angaben über die Zahl der insgesamt nach Schleswig-Holstein verschleppten Gefangenen zu erhalten, ist fast unmöglich.

  1. Die Unterlagen des WAST sind nach dem Kriege beschlagnahmt worden.[19]
  2. Es liegen zahlreiche Hinweise dafür vor, dass nicht nur Kriegsgefangene des Stammlagers XA in Schleswig-Holstein gearbeitet haben. Für das Arbeitskommando 956 in Büdelsdorf lassen sich beispielsweise Gefangene aus den Lagern Ia, 13a und I Ia nachweisen. Inwieweit diese später in den Unterlagen des Stammlagers XA erneut berücksichtigt wurden, bleibt unklar. [20] [Diese Gefangenen stammten ursprünglich aus den genannten Lagern, wurden dann aber in das Gebiet des Stalags XA überführt und dort weiterhin mit ihrer ersten Kennnummer erfasst.]
  3. Viele Kriegsgefangene wurden nach einiger Zeit in ein „ziviles“ Arbeitsverhältnis entlassen, ohne in ihre Heimat zurückkehren zu dürfen: „Das Arbeitsamt (Herr Schenk) hat heute telefonisch mitgeteilt, daß sämtliche polnische Kriegsgefangene entlassen seien und als Zivilarbeiter weiter hier bleiben. (...) Die Zusammenfassung der polnischen Arbeiter in einem Sammellager erscheint durchaus notwendig, weil die Beaufsichtigung dadurch erleichtert wird.“ [21] Daraufhin wurde das Kriegsgefangenlager „Deutsche Wacht“ umbenannt; es hieß fortan Polenlager "Deutsche Wacht“.

Die Berichte des IKRK ergeben für die Monate November 1940 eine Gesamtzahl von 51.800 Personen und für Juli 1941 mit 44.209 eine Abnahme der verwalteten Gefangenen.[22]

Polnische Kriegsgefangene waren schon im Januar entlassen und in ein Zivilarbeiterverhältnis überführt worden.[23]

Von der WAST erhielten wir eine Übersicht, die aus erhalten gebliebenen Unterlagen und dem Schriftverkehr nach 1945 nachträglich erstellt wurde.[24]

Datum

Franz.

Belg.

Pol.

Südost-

Sowj.

Ital.

Versch.

insge.

Offz.

davon im

 

 

 

 

Gef.

 

 

Nation.

 

 

Arb. Eins.

 

 

 

 

auß.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Engl.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

01.09.41

33348

4255

8286

9022

 

 

 

54911

 

53026

01.12.41

22612

2771

5275

6218

5995

 

 

42871

 

35670

01.01.42

23775

2987

2309

6130

5242

 

 

40443

 

38302

01.02.42

22950

2889

1504

5242

5100

 

 

37685

 

36425

01.04.42

22648

2822

379

5225

5461

 

 

36535

 

35528

01.05.42

22438

2780

499

5115

6402

 

 

37234

 

36192

01.06.42

22352

2796

481

4878

7748

 

 

38255

 

37245

01.08.42

22127

2757

448

4512

8004

 

 

32848

 

36877

01.09.42

21752

2690

443

4447

8864

 

 

38196

 

37325

01.10.42

21607

2674

437

4424

10994

 

 

40136

 

39212

01.11.42

21523

2655

430

4402

10591

 

 

39601

 

38727

01.12.42

21442

2636

431

4368

10809

 

 

39686

 

38668

01.01.43

20866

2630

419

4355

10901

 

 

39171

 

38208

01.02.43

20238

2604

416

4295

9854

 

 

37407

 

35717

01.03.43

20314

2592

412

4256

9732

 

 

37306

 

35698

01.04.43

20322

2587

411

4275

9828

 

 

37423

 

35652

01.05.43

24687

3155

477

4944

12660

 

 

45923

 

44964

01.06.43

24654

3153

477

4934

13813

 

 

47031

 

46057

01.08.43

24627

3141

470

4902

13956

 

 

47096

 

44848

01.09.43

24325

3118

487

4876

13753

 

 

46559

 

41024

01.10.43

24268

3116

495

4796

13503

 

 

46178

 

40577

01.12.43

24043

3080

494

4782

13704

21485

 

67588

142

61597

01.01.44

23846

3074

497

4720

14125

23971

 

70233

134

64067

01.02.44

23744

3068

539

4651

14786

23916

 

70704

135

65360

01.04.44

23692

3055

541

4632

15937

24083

 

71940

160

64393

01.05.44

23609

3052

521

4325

16106

24353

 

71966

156

64372

01.06.44

23552

3045

488

4314

16298

21830

 

69527

159

61714

01.07.44

23529

3043

491

4449

16501

21678

 

69691

158

61934

01.09.44

23345

2992

514

4445

16590

21586

 

69472

150

61357

01.10.44

23344

2987

513

4439

16641

2531

 

50455

123

42807

01.11.44

23281

2965

541

4436

16869

2056

 

50148

121

41785

01.12.44

23279

2965

1024

4429

21202

2009

48

54956

129

43907

01.01.45

23230

2950

1825

4434

23280

1949

48

57716

162

-

 

Auch diese Tabelle gibt keinen deutlichen Hinweis auf die Gesamtzahl der Gefangenen. So wird am 1.8. 1942 ein Bestand von 37.848 Personen angegeben. Im selben Monat nennt der Bericht des IKRK den Vertrauensmann des Kommandos 861 in Eckenförde-Borby mit der Nr. 64.300. Eine ähnlich große Differenz ergibt sich aus der Mitteilung der IKRK über das Kommando 1349 in Eidelstedt vom 26. 8. 1944. Der Vertrauensmann trägt die Nummer 99.268, während die Tabelle am 1. 9. 1944 insgesamt 69.472 Gefangene meldet.

Die Tabelle spiegelt wider, dass polnische Kriegsgefangene in Etappen entlassen wurden. Hier ergibt sich eine teilweise Deckung mit der Notiz des Büdelsdorfer Bürgermeisters vom 17. 10. 1941, dass „sämtliche polnischen Kriegsgefangenen entlassen seien... .“

Die Möglichkeit, dass alle Polen entlassen worden sind, ist nicht endgültig auszuschließen, falls Neuzugänge erfolgten, wie es im Falle der sowjetischen Gefangenen geschah. Eine Rundverfügung der Gestapo Kiel vom 16. September 1942 [25] ordnete die Entlassung von einigen sowjetischen Kriegsgefangenen an. Gleichzeitig stieg die Zahl der sowjetischen Kriegsgefangenen von 8.864 am 1. 9. 1942 auf 10.994 am 1. 10. 1942. Dieser Vorgang ist nur so zu erklären, dass parallel mit den Entlassungen neue Gefangene in das Gebiet des Stalags transportiert wurden. Der Text dieser Rundverfügung ist ein Dokument für die angebliche Freiheit der Zivilarbeiter. Er wird deshalb ungekürzt wiedergegeben. Hervorhebungen im Text stammen vom Verfasser dieses Artikels.

 „Das Oberkommando der Wehrmacht hat die Entlassung sowjet-russischer Kriegsgefangener ukrainischen Volksturms, die in dem galizischen Distrikt Lemberg (Generalgouvernement) beheimatet sind, angeordnet. Arbeitsscheue, deutschfeindliche und abwehrmäßig bedenkliche Kriegsgefangene bleiben von der Entlassung ausgeschlossen.

Die entlassende Dienststelle hat die zuständige Staatspolizeistelle vorher von dem genauen Ort und Zeitpunkt der Entlassung zu unterrichten. Bei ihrer Entlassung haben die zur Entlassung kommenden Kriegsgefangenen einen Verpflichtungsschein zu unterschreiben, durch den sie sich verpflichten, bis zur endgültigen Entlassung durch das Arbeitsamt im Gebiete des Landesarbeitsamtes als freie Arbeiter jede vom Arbeitsamt zugewiesene Arbeit zu verrichten und die Arbeitsstelle ohne Genehmigung des Arbeitsamtes und der Polizei nicht zu verlassen. Durch den Verpflichtungsschein wird den sowjet-russischen Kriegsgefangenen weiter bekanntgegeben, daß unerlaubtes Verlassen der Arbeitsstelle bestraft wird und die sofortige Festnahme zur Folge hat. Der Kriegsgefangene verpflichtet sich, sich innerhalb von 24 Stunden bei der zuständigen Ortspolizei unter Vorlage der ihm ausgehändigten Arbeitskarte zu melden. Bei der Freilassung werden den Kriegsgefangenen folgende Papiere ausgehändigt:

a)      ordnungsgemäßer Entlassungsschein,

b)      Doppelstück des unterschriebenen Verpflichtungsscheines,

c)      Ausweiskarte der ukrainischen Vertrauensstelle,

d)      Arbeitskarte, die von dem zuständigen Arbeitsamt und der zuständigen Ortspolizeibehörde ausgestellt wird.

Die entlassenen Kriegsgefangenen sind gemäß Anordnung des O.K.W. von der Entlassungsstelle dem für das Stammlager zuständigen Arbeitsamt zur Erfassung als ausländische Arbeiter zu melden und auf dessen Abruf zur Eingliederung in den Arbeitsprozess zu übergeben. Eine Belassung an den derzeitigen Arbeitsplätzen ist anzustreben.

Mit der Freilassung scheiden die Kriegsgefangenen aus dem Gewahrsam der Wehrmacht aus. Sie gelten jetzt als ausländische Arbeitskräfte, auf die die entsprechenden Bestimmungen für ausländische Arbeiter usw. Anwendung finden.“

 --------------------------------------------------

[19] ebenda

[20] Unterlagen des Gemeindearchivs Büdelsdorf (GAB) - Abt. Ausländerwesen

[21] Der Bürgermeister von Büdelsdorf am 17.10.1941 (GAB) - Abt. Ausländerwesen

[22] Besuchsbericht vom 22.10.1940 und Juli 1941

[23] Schreiben des Landrats des Kreises Rendsburg vom 21.1.1941 (GAB) - Abt. Ausländerwesen

[24] Schreiben der WAST vom 29.11.1984 an G. Hoch

[25] Rundverfügung der Gestapo Kiel vom 16.9.1942. (GAB) - Abt. Ausländerwesen

Weiter