I. Die Bedeutung der einzelnen Wirtschaftszweige

Die im Arbeitseinsatz vollzogene Einteilung und Zuordnung einzelner Unternehmen in die Wirtschaftszweige stammt aus einer detaillierten Anweisung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vom November 1943.[3]

Dieses Verzeichnis stellte eine ergänzte Neuauflage des "Verzeichnis(ses) der Wirtschaftszweige für die Arbeitsbucherhebung" vom 25. Juni 1938 dar. Die in der Zwischenzeit festgestellten Unklarheiten in der Systematik wurden mit Rücksicht auf die dann notwendigen Neufassungen der Arbeitsbuchkarten und der daraus resultierenden Belastung der Arbeitsämter im Krieg kaum beseitigt. Größere Wirtschaftszweige wurden in mehrere selbständige aufgeteilt. Auf insgesamt 119 Seiten bietet das Verzeichnis von 1943

  • eine Systematik der Wirtschaftszweige,
  • eine beispielhafte Erfassung von Betriebsnennungen; so werden für den Bereich Landwirtschaft, Tierzucht, Gärtnerei insgesamt 69 verschiedene Betriebsbeispiele von der Ackerwirtschaft über das Staatsgut bis zur Zuchtgenossenschaft genannt,
  • ein alphabetisches Verzeichnis mit rund 16.000 Betriebsnennungen und dem Verweis auf deren entsprechenden Wirtschaftszweig,
  • eine Gegenüberstellung der Wirtschaftszweige der Arbeitseinsatzstatistik mit den Wirtschaftszweigen für die Berufszählung von 1939.[4] Gerade dieser Bereich ermöglicht eine genauere Untersuchung der wirtschaftlichen Veränderungen zwischen 1939 und 1944. Eine dementsprechende Bearbeitung soll an dieser Stelle nicht erfolgen, da sie den Rahmen des Beitrages sprengen würde.

Abbildung: Wirtschaftszweig 46

Hier soll nur kurz erwähnt werden, dass sich die Anzahl der Betriebe mit über 5.000 Beschäftigten in Schleswig-Holstein von zwei im Jahr 1939[5] auf neun im Jahre 1944 erhöhte. Die fünf größten Unternehmen waren nach Jaspersen

  • Deutsche Werke A.G. Kiel, Schiffs- und Maschinenbau 12.853 Beschäftigte (davon 1.356 Frauen);
  • Marinearsenal Kiel, Schiffs- und Maschinenbau 10.800 (2.364 Frauen);
  • Fr. Krupp A.G. Kiel, Schiffs- und Maschinenbau 10.325 (1.056 Frauen);
  • Fa. Krümmel der Dynamit A.G. 8.644 (2.682 Frauen) und die
  • Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken A.G. Lübeck-Schlutup 7.686 (4.646 Frauen).[6]
Ausschlaggebend für die Erfassung der Arbeitskräfte in einzelnen Wirtschaftszweigen (abgekürzt Wzw.) waren die Art des Betriebes, der Produktion und das unmittelbare Beschäftigungsverhältnis. Deshalb "ist ein bei einem Tiefbauunternehmen beim Bau der Reichsautobahn beschäftigter Bauarbeiter nicht in den Wirtschaftszweig Nr. 45 ‚Reichsbahn, Reichsautobahnen', sondern in den Wirtschaftszweig 39b ‚Hoch- und Tiefbau' einzureihen."[7]

In größeren Unternehmen, aber auch öffentlichen Verwaltungen[8] erfolgte eine sehr differenzierte Erfassung. So wurden bei der Ahlmann Carlshütte in Büdelsdorf die Herstellung der Tragflächen für die Junkers 87 im Auftrag der Weserflug G.m.b.H. dem Bereich 17e ‚Bau von Luftfahrzeugen' zugeordnet, anders als die Produktion der Geschosshülsen (Nr. 13 Eisen-, Stahl- und Metallwarenindustrie) oder die Fertigung der Kesselöfen (Nr. 17a Maschinen-, Kessel- und Apparatebau).[9]

Die Dynamit A.G. in Krümmel (Geesthacht) wird aufgrund der Fertigung von Sprengstoff zur Chemischen Industrie (Nr. 20) gezählt, während das dortige Füllen und Scharfmachen von Granaten in den Bereich 17a gehörte.[10] Die Differenzierung ging in Einzelfällen sehr weit: So wurde beispielsweise die Fertigung von Gummischuhen unter Wzw. 25, die Fertigung von Holzschuhen oder -pantoffeln unter Wzw. 28 und nicht unter Nr. 37 (Schuhindustrie) berücksichtigt.

Ausnahmeregelungen galten u.a. für die Wehrmacht und die Reichspost, deren Mitarbeiter unabhängig von der Beschäftigungsart gezählt wurden. So wurde die allgemeine Forstverwaltung dem Bereich 2 zugeteilt, während die Forstverwaltung der Wehrmacht auch deren Bereichsnummer 51 erhielt. Lediglich die Marinewerften (17c) oder die Wehrmachtsmunitionsanstalten und sonstige wehrmachtseigene selbständige Betriebe (17a) wurden ab November 1943 nicht mehr bei der Wehrmacht gezählt, während das Verzeichnis von 1938 auf S. 54 noch vermerkt: Marinewerft (Wzw. 51).

Tabelle 1: Wirtschaftszweige und dazugehörige Berufs- und Gewerbebereiche


[3]Verzeichnis der Wirtschaftszweige für die Arbeitseinsatzstatistik, hrsg. vom Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, November 1943.

[4]Vgl. Statistik des Deutschen Reichs, Band 555.

[5]Die nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsstätten in den Reichsteilen und Verwaltungsbezirken vom 17.5.1939 (Statistik des Deutschen Reichs, Band 568, Heft 8). Von den insgesamt 83.190 in Schleswig-Holstein ansässigen Betrieben hatten 24 mehr als 1.000 Beschäftigte. 1944 waren es über 30 solcher Unternehmen.

[6]Jaspersen: Ein Bild der Wirtschaft Schleswig-Holsteins, Kiel 1944, maschinenschriftliches Manuskript. Jaspersen hat eine Aufstellung von Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten und auf der Basis der Mitteilungen der Arbeitsämter für die Erhebung vom 15.2.1944 eine Statistik der Beschäftigten in den einzelnen Arbeitsämtern - siehe weiter unten - veröffentlicht. Die von ihm durchgeführte Einordnung der Unternehemen in lediglich einen Wirtschaftszweig entspricht nicht den Richtlinien aus dem Reichsarbeitsministerium. Seine Auflistung ergibt beispielswiese mit über 7.261 Beschäftigten im Wirtschaftszweig 19 eine höhere Zahl als die offizielle mit 5.701.

[7]Siehe Anm.3, S.2.

[8]In mehr als zehn Wirtschaftszweigen finden sich die Verwaltungen des öffentlichen Dienstes wieder. Beispielsweise im Wirtschaftszweig 2 das Forstamt oder in Nummer 39a das Stadtbauamt. Diese offizielle Einordnung unterscheidet sich jedoch wesentlich von dem durch U. Danker generierten ‚Öffentlichen Dienst', zu dem dieser u.a. die Nr.54 Friseurgewerbe zählt. Insgesamt widersprechen seine Branchendefinitionen den Ausführungen im Verzeichnis der Wirtschaftszweige. Uwe Danker, Statuserhebung: Ausländer im "Arbeitseinsatz" in Schleswig-Holstein 1939 bis 1945 (wie Anm. 1) S.46, Anmerkung 32.

[9]125 Jahre Carlshütte, Ahlmann-Carlshütte K.G.. Rendsburg 1952, S.94-99.

[10]Zu Geesthacht vgl. Janine Ullrich: Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in Geesthacht 1939-1945. Hamburg 2001, S.28 (= Schriftenreihe des Stadtarchivs Geesthacht, Band 12).