Die (eigenmächtige) Anwerbepraxis der DWK zum Erhalt von Zwangsarbeitern

Um den immer größer werdenden Arbeitskräftemangel zu beheben, war die Deutsche Werke Werft in Kiel zu einer sehr engen Zusammenarbeit mit dem örtlichen Arbeitsamt gezwungen. Diese Zusammenarbeit wurde von Seiten der DWK nicht nur passiv gestaltet, indem um die Zuweisung von ausländischen Arbeitskräften nachgesucht wurde; die Leitung der Kieler Werft war auch aktiv in den Anwerbeprozess von Arbeitern in den von deutschen Truppen besetzten Territorien involviert. In einem Schreiben der DWK an den Leiter des Kieler Arbeitsamtes vom 20. November 1941 heißt es: "Es ist Ihnen bekannt, dass wir zur Anwerbung von Arbeitskräften unseren Betriebsleiter Stanetzki des Werkes Friedrichsort in das Generalgouvernement geschickt haben, um an Ort und Stelle die Einstellungsverhandlungen einzuleiten. Es hat sich ergeben, dass die ursprüngliche Form der Übernahme voraussichtlich nicht durchzuführen ist."[1] Der letzte Satz dieses Abschnittes bezieht sich höchstwahrscheinlich auf die gescheiterten Bemühungen, Polen auf freiwilliger Basis zur Arbeit im Deutschen Reich zu bewegen.

Der Vertreter der DWK war auf jeden Fall am 10. November 1941 "im Werbebüro Krakau" mit einem leitenden Mitarbeiter des Arbeitsamtes (Dr. Lehrmann)[2] sowie dem Oberingenieur Niebuss von der Kieler Firma Electroacustic und dem Direktor Pumplun von den Mitteldeutschen Stahlwerken (Werk Gröditz) zu einer Besprechung zusammengetroffen. Dabei stellte Dr. Lehrmann ein sehr eigenwilliges und für die Vertreter der Industriebetriebe sehr zweifelhaftes und ungewöhnliches Programm zur Gewinnung von Arbeitskräften vor:

Dieses außergewöhnliche Anwerbeprogramm war den DWK-Verantwortlichen sehr suspekt. Sie baten den Leiter des Arbeitsamtes in Kiel, sich dieser Vorschläge einmal anzunehmen und "uns grundsätzlich Ihre Stellungnahme dazu" zu übermitteln. Die geforderte Stellungnahme erfolgte durch den NSDAP-Kreiswirtschaftsberater beim Arbeitsamt. Er wandte sich an den stellvertretenden Gauleiter Sieh und verkündete, dass er die von Dr. Lehrmann "in Krakau vertretene Auffassung über die Behandlung von polnischen Arbeitern [...] unter keinen Umständen gutheissen" könne. Er wollte diesbezüglich dem Reichstreuhänder der Arbeit Bericht erstatten und diesen bitten, "von Seiten der Partei gegen die von Herrn Dr. Lehrmann vertretene Einstellung vorzugehen."[3]

 

Die betriebsinterne (Ungleich-) Behandlung der Zwangsarbeiter

Im März des Jahres 1945 sahen sich die 1943 aus dem flämischen Teil Belgiens angeworbenen Arbeitskräfte der DWK-Friedrichsort im Lager Schurskamp zum Protest genötigt:

  • Obwohl die Flamen bereits 2 Jahre in Kiel arbeiten würden, hätten sie im Gegensatz zu den später hinzugekommenen Armeniern und Holländern noch keine neuen Bekleidungsstücke erhalten.
  • Flamen, die sich mit Hilfe eines Bezugsscheines neue Schuhe besorgen wollten, waren mit den Worten weggeschickt worden: "Gibt's nicht für Ausländer."
  • In der Abteilung Transportbetrieb der DWK-Friedrichsort sei die Arbeitszeit so geregelt, dass am Montag nur die Ausländer arbeiten würden, während die deutschen Gefolgschaftsmitglieder frei hätten.
  • In mehreren Abteilungen wären die Flamen von der Verteilung von Fischen ausgeschlossen worden, obwohl in der Kupferschmiede "sogar die Russen" Fische erhalten hätten. Generell sei die Verteilung von Fischen an Polen und Russen ja nicht vorgesehen gewesen.[4]

Der Verbindungsmann der Flamen im Lager Schurskamp wandte sich mit diesen Beschwerdepunkten an den zuständigen Gauverbindungsmann der Flamen bei der Deutschen Arbeitsfront (DAF) in Kiel, Fährstraße 22, und erbat diesbezüglich ein Einwirken auf die Betriebsleitung der DWK-Friedrichsort. Von dort wurde dem Gauverbindungsmann der Flamen am 22. März 1945 geantwortet:

  • Kleidungskontingente, die vom Wirtschaftsamt für Armenier vorgesehen seien, könnten nicht einfach an Flamen abgegeben werden. Aber "Flamen bekommen ihr Arbeitszeug genauso, wie die Deutschen".
  • Das Stadtwirtschaftsamt nimmt uneingeschränkt Anträge auf Schuhzuteilung sowohl von Deutschen als auch von Ausländern an.
  • Im Werk Friedrichsort ist "seit längerer Zeit die fünftägige Woche eingeführt" und der Montag sei im Allgemeinen arbeitsfrei. Wenn nun am Montag trotzdem einige Leute gebraucht würden, "dann ist es doch wohl selbstverständlich, dass man für diese Arbeiten die Ausländer heranzieht." Schließlich würden die Deutschen am Sonnabend und Sonntag Volkssturmdienst und Streifendienst leisten.
  • Bei der Verteilung von Dosenfisch sollten nur deutsche Gefolgschaftsmitglieder berücksichtigt werden, "weil nicht so viel vorhanden war, um die Ausländer mit zu betreuen". Darüber, dass "sogar die Russen Fische bekommen" haben sollten, liegen keine Erkenntnisse vor.

Generell vertrat der Betriebsobmann der DWK-Friedrichsort in seinem Schreiben die Ansicht: "Alle Ausländer, die in unserem Werk beschäftigt sind, haben keinen Anlass, sich zu beklagen. Wenn aber extra Verteilungen durch unser Werk gegeben werden, die nur für Deutsche bestimmt sind, kann man es an Ausländer nicht abgeben. Im Übrigen wache ich schon darüber, dass jeder Ausländer seine gerechte Behandlung erhält."[5]

 

Die Problematik der falschen Versprechungen bei Anwerbungen

Diesen Vorfall bei der DWK-Friedrichsort nahm auch die Hauptaußenstelle des Sicherheitsdienstes (SD) in Kiel zur Kenntnis. Für den dortigen Leiter kam darin "das Kernproblem des flämischen Arbeitseinsatzes zum Ausdruck". Die Flamen würden sich auf die bei der Anwerbung versprochene "volle Gleichberechtigung mit dem deutschen Arbeiter in jeder Beziehung unter Hinweis auf die germanische Schicksalsgemeinschaft" berufen. Und "man dürfte sich nicht wundern, so sagen politisch interessierte, deutschfreundlich eingestellte Flamen, wenn die große Masse der Flamen sich bei derartigen unehrlichen deutschen Methoden von dem Gedanken einer germanischen Schicksalsgemeinschaft abwendet und sich lediglich als Ausländer fühlt."[6]

HOME


[1] LAS Abt.454, Nr.4 I, S. 301034 f. Auf dieses Dokument hat Detlef Korte bereits 1991 in seiner Dissertation hingewiesen: "Erziehung" ins Massengrab. Die Geschichte des Arbeitserziehungslagers Nordmark. Kiel-Russee 1944-1945, S.48.

[2] Dr. Lehrmann wird von D. Korte (wie Anm. 1) fälschlicher Weise als Vertreter der DWK bezeichnet.

[3] Zitiert nach Korte (siehe Anm. 1), S.48f.

[4] LAS Abt.455, Nr.21, S. 2564.

[5] Ebd., S. 2564 A.

[6] Ebd., S. 2563.