IVc) Beschäftigungshöhepunkt

Danker führt aus, dass "der absolute Höhepunkt der registrierten und statistisch ausgewiesenen Ausländer- und Zwangsbeschäftigung in Schleswig-Holstein" mit 186.363 Ausländern am 31.12.1943 vorliegt (Zwangsarbeit, S.57). Auch unter Berücksichtigung des Fehlers, dass er die Hamburger Kriegsgefangenen mitzählt (siehe Abschnitt "Einsatz der Kriegsgefangenen") unterliegt er hier zwei Irrtümern:

1. Danker berücksichtigt nicht, dass auch kriegsgefangene Offiziere des Oflag XC in Lübeck im Arbeitseinsatz waren.[1] Er müsste die 180 Offiziere bzw. Ordonanzen dazuzählen, so dass insgesamt 186.543 Zwangsarbeitende und Kriegsgefangene beschäftigt waren.

2. Danker unterschlägt die höhere Anzahl von 128.320 zivilen Ausländern im November 1943 (siehe "Verlauf der Ausländerbeschäftigung"). Zusammen mit den 61.597 Kriegsgefangenen des Stammlagers XA wäre die größte Anzahl im November 1943 mit 189.917 Personen aufgetreten. Für das Oflag XC liegen dem Rezensenten für den November 1943 keine genauen Zahlen vor.

Durch den Fehler Dankers, die Hamburger Kriegsgefangenen mitzuzählen, kommen zunächst einmal für die Zeit ab April 1943 überhöhte Zahlenangaben zustande. Dadurch entsteht dann im Diagramm 14 der Eindruck, dass die Ausländerbeschäftigung gegen Ende des Jahres 1944 in Schleswig-Holstein im Vergleich zum Jahresende 1943 um rund 8.300 abgenommen hätte (Zwangsarbeit, S.56, Diagramm 14). Dies entspricht aber nicht der Realität.[2]

Danker addiert die Zahlen aus dem 'Arbeitseinsatz' vom 30.9.1944 mit den Zahlen der im Arbeitseinsatz befindlichen Kriegsgefangenen des Stalag XA vom Dezember 1944. Das ist nicht zulässig, da möglicherweise bis zum Jahresende 1944 weitere zivile Ausländer zur Arbeit gezwungen wurden. Ab Dezember 1944 erschien der 'Arbeitseinsatz' nicht mehr und es gibt somit keine Zahlen nach dem 30.9.1944. Diese Vorgehensweise, nicht die Kriegsgefangenenzahlen vom September 1944 zu benutzen, ist offensichtlich gewählt worden, um der Frage auszuweichen, wie viele der Italienischen Militärinternierten Ende September 1944 bereits aus der Kriegsgefangenschaft in zivile Arbeitsverhältnisse entlassen worden waren. Diese Entlassungen sollten ab Mitte August 1944 durchgeführt werden. Wie bei der Umwandlung der polnischen Kriegsgefangenen wurden die Italienischen Militärinternierten in zivile Arbeitsverhältnisse eingewiesen und durften nicht in die Heimat zurückkehren. Ein Blick in den Sammelband "Verschleppt zur Sklavenarbeit" (S.34) hätte Danker gezeigt, dass dieses Problem seit 1985 als weitgehend geklärt angesehen werden kann: Im September 1944 wurden 19.055 Italienische Militärinternierte in den Zivilstatus entlassen. Diese Zahl findet ihre Bestätigung in den Angaben des 'Arbeitseinsatzes' über die Beschäftigungsverhältnisse der männlichen und weiblichen Italiener in Schleswig-Holstein und Hamburg:

Datum S-H
männlich
S-H
insgesamt
Hamburg
männlich
Hamburg
insgesamt
30.06.43 4.062 4.126 ? ?
31.12.43 2.367 2.423 509 545
31.03.44 2.428 2.512 867 924
15.05.44 ? 2.511 ? 971
30.06.44 2.521 2.614 885 951
30.09.44 5.204 5.300 17.283 17.376

Aus den letzten beiden Zeilen der Tabelle ergibt sich rechnerisch: Die Zunahme der männlichen italienischen Zivilarbeitskräfte zwischen dem 30.6.44 und dem 30.9.44 um insgesamt 19.081 (für Schleswig-Holstein 2.683 und für Hamburg 16.398) entspricht ziemlich genau der Abnahme der Italienischen Militärinternierten um 19.055 und der Reduzierung der Belegzahlen des Stammlagers XA zwischen dem 1.9.44 und dem 1.10.44 um 19.017. Die Zahl der im Arbeitseinsatz befindlichen Kriegsgefangenen reduzierte sich im gleichen Zeitraum um 18.550.[3]

Ausgehend von den im 'Arbeitseinsatz' genannten 37.892 Kriegsgefangenen im Februar 1944 in Schleswig-Holstein (Hamburg 26.081) können unter Hinzuziehung der Angaben über die Einweisung von Kriegsgefangenen in Arbeitsplätze, der Beschäftigungsverhältnisse der Italiener und der Zahlen über die im Arbeitseinsatz befindlichen Kriegsgefangenen genauere Daten über die Kriegsgefangenen in Schleswig-Holstein und Hamburg abgeleitet werden.[4]

Datum Kriegsgefangene Zivile Ausländer Gesamtzahl
Dezember 1943 ca. 37.000 121.687 ca. 158.000
15. Feb. 1944 37.892 125.515 163.407
September 1944 ca. 35.000 134.167 ca. 169.000

Lediglich für den 15.Februar gibt es eine präzise Zahl der Ausländer im Zwangsarbeitseinsatz in Schleswig-Holstein. Mit dem Vorbehalt, dass sich die Zahlen aus dem 'Arbeitseinsatz' nicht immer hunderprozentig mit denen des Stammlagers XA decken, ergibt sich, dass der "Höhepunkt" des Zwangsarbeitseinsatzes am 30.9.1944 (oder später) vorlag.[5] Wieder führte die fehlende Bereitschaft Dankers, sich intensiver mit Quellen zu beschäftigen, zu krassen Fehlaussagen. Weder liegt der "Höhepunkt" des Ausländereinsatzes am 31.12.1943 vor, noch hat sich die Anzahl der Ausländer in Schleswig-Holstein zum 30.9.1944 verringert.


[1] Gerhard Hoch: Lübeck - Offizierslager XC, in: Verschleppt zur Sklavenarbeit, S.65.

[2] Die von Danker im Diagramm 14 für den September 1941 benutzte Zahl (61.655 Ausländer) wurde vom Rezensenten in den Angaben zur Ausländererhebung vom 25.9.1941 ('Arbeitseinsatz' Nr. 21f./41) nicht gefunden.

[3] Die genauen Kriegsgefangenenzahlen über das Stammlager XA sind abgedruckt in: Verschleppt zur Sklavenarbeit, S.34.

[4] Hierbei muss beachtet werden, dass unabhängig von den Italienischen Militärinternierten monatlich in Schleswig-Holstein ca. 400 Kriegsgefangene (Hamburg ca.800) in Arbeitsverhältnisse vermittelt wurden. Diese Zahlen betrafen den Wechsel des Arbeitsplatzes, die Wiederaufnahme der Arbeit nach Krankheit sowie die durch die Fluktuation zwischen den Stammlagern nötigen Neueinweisungen.

[5] Aufgrund der fehlenden Angabe für Schleswig-Holstein über die Einweisung von Kriegsfangenen im Dezember 1943 lässt sich keine zuverlässige Aussage für die Situation im November ableiten. Die Gesamtzahl der Ausländer wird aber über dem Dezemberwert und wahrscheinlich in der Nähe des Wertes vom 30.9.1944 liegen.