IVb) Einsatz der Kriegsgefangenen

In der zuerst erschienenen Gutachtenfassung hatte sich Danker über den Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen in Schleswig-Holstein geäußert. Hierbei unterliefen ihm bei der Beschreibung der Zuständigkeiten des Stammlagers XA zahlreiche Fehler. In den unter www.zwangsarbeiter-schleswig-holstein.de veröffentlichten ersten kritischen Anmerkungen zeigte der Rezensent diese auf. Es wäre Danker also möglich gewesen, seine Darstellungen mit den Realitäten in Einklang zu bringen. Um Dankers Umgang mit derartiger Kritik zu dokumentieren, folgen hier ein Zitat aus dem Gutachten und daran anschließend einige Kritikpunkte aus den ersten kritischen Anmerkungen.[1]

"Jedoch ist quellenkritisch zu beachten, dass nicht alle Kriegsgefangenen des Lagers XA tatsächlich in Schleswig-Holstein beschäftigt wurden. Ein geringerer Teil 'pendelte' beispielsweise nach Hamburg. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es auch umgekehrte Pendeleffekte etwa im lauenburgischen Raum gab, wenn zum Beispiel in der Dynamitfabrik Geesthacht Kriegsgefangene aus dem Stammlager XB Sandbostel arbeiteten. Zwar kann so der Anspruch auf exakte Zahlen nicht erhoben werden. Gleichwohl ist es aufgrund der geographischen Struktur des Kriegsgefangenenlagers XA und seiner Nebenstellen sowie aufgrund der zweiseitigen Pendeleffekte durchaus zulässig davon auszugehen, dass die in Diagramm 15 wiedergegebenen Daten den Zwangsarbeitseinsatz Kriegsgefangener in Schleswig-Holstein ziemlich genau wiedergeben." (Danker: Gutachten, S.63)

Der Rezensent gab Danker die nachfolgenden - ebenfalls als Zitat wiedergegebenen - Hinweise zur Organisation des Kriegsgefangenenwesens in Norddeutschland: "Zu diesem Versuch eine Unkenntnis wegzuschreiben, seien einige Anmerkungen gestattet:

  • In der Anfangsphase des Krieges wurden die Kriegsgefangenen für Norddeutschland ausschließlich vom Stammlager XA in Sandbostel verwaltet, das 1940 die Bezeichnung XB erhielt und im Juli 1940 ein Sammellager wurde. Zuständig für die Verteilung der Kriegsgefangenen waren jetzt die Stammlager XA - Schleswig - und XC in Nienburg.
  • Ab Herbst 1941 übernahm das Stammlager XB wieder Betreuungsaufgaben für Arbeitskommandos. Dem Stammlager XA verblieben die schleswig-holsteinischen Lager und einige Hamburger Kommandos, beispielsweise Bahrenfeld und Eidelstedt.

Der Großteil der Hamburger Kommandos war jetzt Sandbostel und nicht mehr Schleswig unterstellt. Diese Umstellung spiegelt sich übrigens in der Abnahme der Gefangenenzahlen um ca. 12.000 (vom 1.9.1941 bis zum 1.12.1941) wider. Diese Reduzierung wurde überwiegend durch die veränderte Zuständigkeit und nicht durch eine Überführung französischer, belgischer und polnischer Kriegsgefangener in den Zivilstatus erreicht, wie im Gutachten (S.65) behauptet wird.[2]

Von 1939 bis zum Herbst 1941 hatten ungefähr 150.000 Kriegsgefangene Sandbostel durchlaufen. Wie viele davon kamen nun nach oder aus Schleswig-Holstein? Im Frühjahr 1943 erfolgte eine neue Zuschneidung der Zuständigkeiten. Die in der Literaturliste erwähnte Publikation über Sandbostel[3] erklärt auf Seite 24, dass die Hamburger Arbeitskommandos von Sandbostel nach Schleswig verlagert wurden und sich dadurch eine Verminderung der Gefangenenzahlen für Sandbostel um 14.000 ergab. Die Quelle hierfür stellt ein Schreiben des IKRK vom 2.10.1985 dar.[4] Diese Erhöhung spiegelt sich jedoch in den Belegungszahlen des Stalag XA nicht so stark wider, hier erfolgt lediglich eine Steigerung um 8.500. Die verwaltungsmäßigen Veränderungen im Wehrkreis X, die damit verbundenen Änderungen und Unklarheiten in den Belegungszahlen übersieht U. Danker. Die oben aus dem Gutachten zitierte Aussage, dass Kriegsgefangene aus dem Stalag XB bei Dynamit Nobel in Geesthacht gearbeitet hätten (ein Quellennachweis hierzu fehlt), müsste durch die wechselnden Zuständigkeiten zeitlich genauer eingeordnet werden. Zusätzlich sei angemerkt, dass nach Aussage von Frau J. Ullrich - die über Geesthacht forscht - die dort eingesetzten Kriegsgefangenen dem Stalag XA unterstellt waren." (www.zwangsarbeiter-schleswig-holstein.de, "Einzelne Orte", Kreis Lauenburg)

Durch den Hinweis auf die Forschungsergebnisse von Janine Ullrich war Dankers Konstruktion mit dem Pendeleffekt am Beispiel Geesthacht widerlegt, da in Geesthacht keine Kriegsgefangenen des Stammlagers XB in Sandbostel gearbeitet haben.[5] Zur Aufrechterhaltung seiner Konstruktion schreckte Danker im Folgenden in der Buchform des Gutachtens nicht vor unpräziser Quellenangabe und der Verfälschung einer Quelle zurück: Bei den Besuchsberichten, denen Danker (Zwangsarbeit, S.54) Informationen entnimmt, handelt es sich um Berichte über das Stammlager XA. Die Anmerkung 41 müsste korrekt lauten: "Besuchsbericht über das Kommando 4 ohne Datum, (Hervorhebung R.S.) abgedruckt in ebd., S. 43f." und nicht wie geschehen "Vgl. ebd., S. 43f.". Vorher wurde mit der Anmerkung "Abgedruckt in Hoch/Schwarz, Sklavenarbeit, S. 41ff." aus einem datierten Inspektionsbericht (22.11.1940) zitiert und nicht aus einem undatierten. Wichtiger jedoch, im Besuchsbericht heißt es eindeutig: "Sie kamen vom Stalag XB, ...." und nicht: "wenn zum Beispiel in der in Ahrensburg Kriegsgefangene aus dem Stammlager XB Sandbostel arbeiteten."

Die Formulierung - "Sie kamen vom Stalag XB,..." besagt, dass die Kriegsgefangenen ursprünglich dem Stammlager XB unterstanden, jetzt aber vom Stammlager XA in Schleswig verwaltet wurden. Dieses Verschieben von Kriegsgefangenen unter den Stammlagern trat öfter auf. Dabei wäre bei einer korrekten Auswertung des 'Arbeitseinsatzes' alles ganz einfach gewesen. Danker übersieht hier die Rubrik 'Die Arbeitseinsatzlenkung im Großdeutschen Reich'. Sie belegt, inwieweit das Arbeitsamt an der Einweisung von Kriegsgefangenen in Arbeitsplätze beteiligt war. Danker versäumt es diese Daten mit den Belegungszahlen des Stammlagers XA abzugleichen. So ergibt sich, dass die Steigerung der Kriegsgefangenenzahlen durch 'italienische Kriegsgefangene' (Zwangsarbeit, S.57) im Herbst 1943 überwiegend Hamburg und nicht Schleswig-Holstein zugute kam.[6]

Tabelle: Einweisung von Kriegsgefangenen in Arbeitsplätze laut 'Arbeitseinsatz'

Datum Schleswig-Holstein Hamburg
September 1943 278 3.857
Oktober 1943 4.429 10.245
November 1943 1.105 1.171
Dezember 1943 keine Angabe 2.329
Januar 1944 404 3.355
Februar 1944 329 1.264
März 1944 321 1.054

Statt einer fehlerhaften Konstruktion zur Verteilung der Kriegsgefangenen zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein, statt unpräziser Quellenangabe und statt falscher Quellenwiedergabe hätte Danker bei einer gründlichen Durchsicht des 'Arbeitseinsatzes' neben den Hinweisen zur Einweisung der Kriegsgefangenen in Arbeitsplätze eine präzise Zahl erhalten. Im 'Arbeitseinsatz' Nr. 4/5 werden für den 15.2.1944 nicht nur die zivilen Arbeitskräfte sondern auch die Kriegsgefangenen nach Gauarbeitsamtsbezirken und Branchen aufgelistet. In Schleswig-Holstein arbeiteten zu diesem Zeitpunkt 37.892 Kriegsgefangene, in Hamburg waren es 26.081.


[1] Weitere Beispiele siehe unten und unter "Umgang mit Kritik".

[2] Im Buch (Zwangsarbeit, S.56) klingt der Passus etwas verändert: "Im Betrachtungszeitraum wurden - neben einer Umstrukturierung der Betreuungen zwischen den Stammlagern XA und XB (als Fußnote 42: So jedenfalls ein Hinweis von Rolf Schwarz.) vor allem in den letzten Monaten des Jahres 1941 belgische, französische und polnische Kriegsgefangene in den Zivilstatus überführt, ..." Auf der vorhergehenden Seite 55 ist Danker jedoch noch bei seiner alten Aussage geblieben: "Abfallende Teile der Kurven spiegeln dabei keine Entlassungen von Kriegsgefangenen, sondern massenhafte, unter Zwang durchgeführte Umwandlungen vom Status eines Kriegsgefangenen in jenen einer zivilen ausländischen Zwangsarbeitskraft." Was auf Seite 56 ansatzweise richtig dargestellt wird, darf auf Seite 55 nicht im falschen Kontext erscheinen. Eine detaillierte Tabelle der Belegzahlen für das Stammlager XA befindet sich in "Verschleppt zur Sklavenarbeit", S.34.

[3] Werner Borgsen, Klaus Volland: Stammlager XB Sandbostel, 1991.

[4] Auf Nachfrage: Eine Mitteilung durch die Verfasser des Buches über Sandbostel, ebenda.

[5] Der Tippfehler im Buch "Zwangsarbeit" auf S.54 ("in der in Ahrensburg") verweist auf die ursprüngliche Formulierung "in der Dynamitfabrik Geesthacht."

[6]Bereits F. Littmann erwähnte 1983 in ihrer Publikation die Zuweisung von über 10.000 italienischen Kriegsgefangenen im Herbst 1943 nach Hamburg (S.579f.).