IV. Uwe Danker, Statuserhebung:
Ausländer im "Arbeitseinsatz" in Schleswig-Holstein 1939 - 1945

Die folgenden Abschnitte widmen sich verschiedenen Ausführungen Dankers, den aufgestellten Thesen und seinem Umgang mit Quellen und Kritik.

a) Verlauf der Ausländerbeschäftigung

In seinen Ausführungen bezieht sich Danker auf Informationen aus der Zeitschrift "Der Arbeitseinsatz im (Groß-)Deutschen Reich" (zukünftig 'Arbeitseinsatz').[1] Es gelingt Danker jedoch nicht, den Verlauf der Ausländerbeschäftigung korrekt wiederzugeben. Er unterschlägt Schwankungen, für die ihm wahrscheinlich die Erklärungsmuster fehlen und glättet den Verlauf: "Im Sommer 1942 wird die Marke der 100.000 überschritten. Ein Jahr später liegt die Gesamtzahl bei 122.000, bleibt sehr stabil auch im Winter, um 1944 mit 134.000 im Spätsommer den Höchststand der von der Arbeitsverwaltung gesteuerten zivilen Ausländerbeschäftigung zu erreichen."(Zwangsarbeit, S.41, siehe auch Diagramm 14, S.56)

Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht den Widerspruch zwischen dem durch Danker geglätteten Verlauf der Beschäftigung 1943/44 und den Angaben aus dem 'Arbeitseinsatz':

Datum Angaben Danker Angaben
'Arbeitseinsatz'
10.7.42 99.693 99.693
31.3.43 Keine Angabe 114.730
15.5.43 Keine Angabe 120.139
30.6.43 121.915 121.915
15.8.43 Keine Angabe 125.697
30.9.43 Keine Angabe 128.801
15.11.43 Keine Angabe 128.320
31.12.43 121.687 121.687
15.2.44 Keine Angabe 125.515
31.3.44 Keine Angabe 121.725
15.5.44 Keine Angabe 125.033
30.6.44 122.885 122.885
15.8.44 Keine Angabe 125.608
30.9.44 134.167 134.167

Insbesondere die unterschlagenen Veränderungen im November/Dezember 1943, Februar/März 1944 und Mai/Juni 1944 bedürfen eines Erklärungsversuches. Stattdessen schlägt Dankers leichtfertiger Umgang mit Anmerkungen von Kritikern zu, wenn er schreibt: Es geht im Hamburger Randgebiet eben nicht darum, "ob Arbeitskräfte, die in Hamburg untergebracht und beschäftigt wurden ... etwa im Tiefbau auch mal in Schleswig-Holsteins Boden buddelten." Dies würde "in absurde Bereiche kleinteiliger Zählerei (führen), die allenfalls in der Heimatgeschichtsschreibung Relevanz entfalten kann", spottet er. (Zwangsarbeit, S.35, Anmerkung 10)

So etwas belebt zwar seine Ausführungen, doch statt dieser Bemerkung und dem Verweis auf die Erläuterungen zu den großen "Ausländererhebungen" im 'Arbeitseinsatz'[2] hätte er sich lieber inhaltlich mit den gestellten Fragen, die hier wiederholt werden, beschäftigen und ein bißchen Literatur studieren sollen: "Wo wurden die Arbeitskräfte der schleswig-holsteinischen Firmen gezählt, deren Arbeitslager sich in Hamburg befanden? Wie sah es im umgekehrten Fall aus? Wie wurden die Betriebe aus Lübeck oder Hamburg berücksichtigt, die nach den Bombenangriffen länger- oder kurzfristig nach außerhalb verlagert wurden? Wie wurden Arbeitskräfte Hamburger Firmen berücksichtigt, die in Hamburg untergebracht, aber in Schleswig-Holstein tätig waren und umgekehrt? Wurde der Einsatz in Zweigstellen großer Industriebetriebe gesondert berücksichtigt, wenn der Verwaltungssitz außerhalb Schleswig-Holsteins lag?"[3]

Zu verschiedenen Stichtagen werden im 'Arbeitseinsatz' ausgewählte Entwicklungsdaten für Ausländer im Reich und auch in Schleswig-Holstein veröffentlicht, die von Danker übersehen wurden. Es gab Angaben über den Wechsel der Ausländer in einen anderen Gauarbeitsamtsbezirk und die Abwanderung ins Ausland. Die Schwankungen in der Ausländerbeschäftigung werden im 'Arbeitseinsatz' für Schleswig-Holstein nochmals genauer nach Frauen und Männern aufgeschlüsselt. Die unterschiedliche Entwicklung bei Männern und Frauen muss bei einer Ermittlung von Gesamtzahlen berücksichtigt werden.

Datum Männer Frauen
15.11.43 - 31.12.43 - 5735 - 898
15.2.44 - 31.3.44 - 4527 +737
15.5.44 -30.6.44 - 2428 + 280

Während die Informationen über den Wechsel in einen anderen Arbeitsamtsbezirk und die Abwanderung aus Schleswig-Holstein ins Ausland zwischen dem 1.Oktober 1943 und 31.März 1944 eine Gesamtzahl von 7.269 Personen ergeben (siehe unten "Fluktuation"), sollen zwischen dem 15.November 1943 und dem 1.April 1944 insgesamt 11.160 ausländische Menschen die Provinz verlassen haben. Auf den ersten Blick widersprechen sich hier die Zahlenangaben aus dem 'Arbeitseinsatz'.

Eine mögliche Erklärung für diesen Widerspruch könnte sich bei F. Littmann[4] finden. Sie weist auf die Folgen der Bombardierung Hamburgs Ende Juli 1943 hin. Zahlreiche ausländische Arbeitskräfte wurden nach Schleswig-Holstein evakuiert, die jedoch möglichst schnell nach Hamburg zurückgeholt werden sollten. So könnten Firmen, z.B. Dräger, die auch in Hamburg produzierten, ihre Zwangsarbeiter vorübergehend in Schleswig-Holstein eingesetzt haben, ohne ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen. Diese wären deshalb in der Wanderungsbewegung eventuell nicht erfasst worden, da lediglich ein Orts- aber kein Arbeitgeberwechsel vollzogen wurde.


[1] Die Zeitschrift ist über die Fernleihe öffentlicher Bibliotheken zu beziehen. Bestandshinweis: Humboldt-Universität Berlin.

[2] In den Erläuterungen aus den Jahren 1941/42 wird als Bezugspunkt lediglich das zuständige Arbeitsamt genannt. Die Autoren der Erläuterungen haben keine Aussage darüber getroffen, ob dies der Firmensitz oder der Einsatzort ist.

[3] Allein der Blick in die Reichsbetriebskartei für die Neumünsteraner Filiale der Land- und See-Leichtbau GmbH mit 2.328 Beschäftigten zeigt die Notwendigkeit, dieses zu klären. (Gerhard Hoch, Rolf Schwarz (Hrsg.): Verschleppt zur Sklavenarbeit, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in Schleswig-Holstein, Alveslohe und Nützen 1985, S.175)

[4] Friederike Littmann: Ausländische Zwangsarbeiter in Hamburg während der Zeit des Zweiten Weltkrieges, in: Arno Herzig u.a.(Hg.), Arbeiter in Hamburg, Hamburg 1983, S.579.