Zwangsarbeiter in Schlesen

(von Patrick Göttsch)[1]

Von 1939 bis 1945 arbeiteten in Schlesen 31 NS-Zwangsarbeiter.[2] Es waren zu gleichen Teilen Männer und Frauen, die hauptsächlich aus der Ukraine und anderen Teilen der UdSSR kamen. Aber es gab auch Menschen aus anderen Nationen, zum Beispiel aus Frankreich.

Die Zwangsarbeiter sind in Schlesen auf Bauernhöfen, in der Schmiede, im Haushalt und in der Gaststätte eingesetzt worden. Alle erhielten während ihres Aufenthaltes einen Lohn, der aber nicht an sie direkt ausgezahlt wurde, sondern an andere unbekannte Stellen floss.

Nachts wurden sie in einer Scheune untergebracht. Die Scheune liegt in Neuenkrug - einer Siedlung einen Kilometer außerhalb von Schlesen. Sie war früher einmal zum Abspannen der Pferde von den Kutschen genutzt worden. Die Zwangsarbeiter wurden in dieser Scheune über Nacht eingeschlossen und am Morgen wieder abgeholt. Auf dem Weg nach Schlesen erhielten sie ihr Frühstück. Das Mittagessen gab es von den Menschen, bei denen sie arbeiteten. Normalerweise hätten die Zwangsarbeiter außerhalb des Gebäudes oder mindestens in einem anderen Raum als die Deutschen essen müssen. Doch in Schlesen nahm dies niemand so ernst, hier saßen alle zusammen an einem Tisch und aßen. Abends bekamen die Zwangsarbeiter ihr Essen wieder auf dem Weg in das Lager. Es ist leider noch nicht bekannt, wie und wo das geschah.

Die Zwangsarbeiter, die in der Landwirtschaft gearbeitet haben, brauchten nur noch mit den „modernen“ Geräten vertraut gemacht zu werden, sonst kannten sie sich sehr gut mit der Arbeit aus. Auf manchen Höfen ging es soweit, dass - als die Bauern eingezogen worden waren - die Zwangsarbeiter mit der Bäuerin zusammen den Hof geleitet haben, weil der auf diesem Hof eingesetzte deutsche Verwalter Missmanagement betrieb. Die Zwangsarbeiter arbeiteten hart, aber wurden nicht misshandelt, sondern hatten ein fast normales Verhältnis zu den Deutschen. Teilweise wird sogar erzählt, dass die Zwangsarbeiter mit den Familien zusammen Weihnachten gefeiert und diese sogar für die Kinder in ihrer wenigen freien Zeit Holzschnitzereien angefertigt hätten, die sie den Kindern schenkten. Die meisten Zwangsarbeiter waren erstaunt über den Luxus, den sie auf den Höfen genossen: fließend Wasser, Strom und Heizung. Das alles war für sie neu.

Anders als andere Zwangsarbeiter in Schleswig-Holstein wurden die schlesener Zwangsarbeiter nicht nach dem 20. Juli 1944 in andere Lager gebracht oder besser bewacht, sondern auf die gleiche Weise wie vorher behandelt.[3]

Nachdem der Krieg zu Ende war, wollten viele der schlesener Zwangsarbeiter nicht wieder nach Hause, sie wollten im Dorf bleiben. Einerseits wussten sie nicht, was mit ihnen zu Hause geschehen würde: Besonders die russischen Zwangsarbeiter hatten schlimme Befürchtungen, dass sie nach Sibirien abtransportiert werden könnten. Und diese Befürchtungen scheinen sich bewahrheitet zu haben, denn im Gegensatz zu anderen haben sich die russischen Zwangsarbeiter nie wieder in Schlesen gemeldet. Andererseits haben einige Zwangsarbeiter in Schlesen Verbindungen zu Personen des anderen Geschlechts geknüpft und wollten deswegen hier bleiben und eine Familie gründen. Ein weiterer Grund war, dass sie sich an den Komfort hier in Deutschland gewöhnt hatten. Doch alle wurden am 10. Mai 1945 mit LKWs in ihre Heimat abtransportiert.

Einige nicht russische Zwangsarbeiter hielten auch nach dem Krieg noch Kontakt zu den schlesener Bürgern.


[1]Der Verfasser ist Schüler der Oberstufe des Friedrich-Schiller-Gymnasiums in Preetz und hat seine Erkenntnisse durch die Befragung von Zeitzeugen in Schlesen (insbesondere des Alt-Bürgermeisters) erhalten.

[2] Im Einwohnermelderegister der Gemeinde Schlesen sind die Namen von 62 Ausländerinnen und Ausländern verzeichnet. Davon war die Hälfte bereits während des Krieges nach Schlesen gekommen und bei den einzelnen Bauern des Dorfes als "zugezogen" gemeldet worden. Bei der anderen Hälfte handelt es sich um 31 Ausländer (25 Polen, 4 Franzosen und 2 Ukrainer), die erst am Ende des Krieges ab dem 30.April 1945 als "zugezogen" gemeldet wurden. Sie werden sich als "displaced persons" nicht lange in Schlesen aufgehalten haben. Die 25 Polen sind offensichtlich zusammen mit den 4 Franzosen in deren Heimat abgereist: Die 29 Personen haben jedenfalls als "neuen Wohnort" verschiedene Ortsnamen in Frankreich angegeben.

[3] Hier wird Bezug genommen auf die von U.Fentsahm geschilderten Vorfälle in den Lagern Wattenbeks.