6. Sterbefälle und Gedenken

27 Todesfälle konnten anhand der verfügbaren Unterlagen (Standesamtsregister, Beerdigungsbücher der Kirchengemeinden, Ausländermeldekartei) ermittelt werden. In vier Fällen fehlt allerdings eine Meldekarte; es handelt sich um folgende Personen:

  • Adolf Dorozko, geb. 1889, russ. Landarbeiter,
  • Ignacz Banaciak, geb. 20. 5. 1881,
  • Desiré Longis, geb. 1902, frz. Kriegsgefangener,
  • Valentin Milewski, geb. 1889.

Bei den ersten beiden Personen ist zu vermuten, daß die Karteikarten abhanden gekommen sind, da die Hinweise in den Unterlagen alle auf den Status eines Zwangsarbeiters hinweisen. Bei Desiré Longis handelt es sich um einen frz. Kriegsgefangenen; dieser Personenkreis wurde melderechtlich nicht erfaßt. Valentin Milewski wird vermutlich ein Zwangsarbeiter aus einer Nachbargemeinde des Kreises Segeberg gewesen sein, der sich nach der Kapitulation in die Nachbargemeinde Ahrensbök (Ortsteil Heuerstubben) begeben hat und hier an den Folgen einer Alkoholvergiftung am 5.5.1945 verstorben sein soll.

Zu verzeichnen sind drei Totgeburten (siehe oben unter Abschnitt 5). Im Kindesalter verstorben sind:

  1. Wolodia Holomesda, geb. 08.04.42, verst. 22.10.43, aus dem Lager der Fa. Globus an Unterernährung.
  2. Walter Dulewicz, geb. 26.07.43, verst. 28.02.44, aus Vw. Neuhof an Rachitis und akuter Herzschwäche.
  3. Wladislawa Jakubczyk, geb. 31.08.43, verst. 17.04.44, aus Holstendorf an Lungenentzündung.
  4. Kasimiera Mielczarek, geb. 04.01.45, verst. 07.01.45, aus Barghorst an Atemlähmung.
  5. Lucia Stolarek, geb. 15.03.44, verst. 01.03.45, aus dem Lager der Fa. Globus an Lungenentzündung.
  6. Felix Dobnar, geb. 13.05.41, verst. 23.03.45, aus dem Lager der Fa. Globus an Lungenentzündung.
  7. Kasimira Kulas, geb. 28.04.45, verst.13.05.45, aus Bokhof an Lebensschwäche.
  8. Josef Kulas, geb. 28.04.45, verst. 13.05.45, aus Bokhof an Lungenentzündung.
  9. Stanislaw Sadziak, geb. 26.04.41, verst. 23.06.41, aus Ahrensbök an Brechdurchfall.
  10. Jan Lagutowa, geb. 07.09.43, verst. 27.10.44, aus Ahrensbök an Diphterie etc..
  11. Wladimir Umez, geb. 1942, verst. 13.12.44, aus Ahrensbök an offener Lungen-Tbc.
  12. Czesiek Pluta, geb. 03.03.45, verst. 13.08.45, aus Ahrensbök an Atrophie (Auszehrung), Dyspepsie und Pneumonie.

Auffällig ist die hohe Anzahl der Totgeburten und der Sterbefälle im Säuglings- bzw. im Kleinkindalter: 15 von insgesamt 27 Todesfällen.

Die aufgeführten Todesursachen der so früh verstorbenen Säuglinge und Kleinkinder weisen auf die unzulänglichen Lebensumstände der Zwangsarbeiterinnen hin, die hier Kinder zur Welt gebracht haben. Gleiches gilt selbstverständlich für die drei tot geborenen Kinder. Aus dem Lager der Firma Globus-Gummi- und Asbest-Werke sind allein vier dieser Todesfälle zu beklagen; aus dem Lager der Genossenschaftsflachsröste einer. Als besonders bedrückend muß festgehalten werden, daß von den in der Landwirtschaft beschäftigten Frauen neun Kinder kurz nach der Geburt verstorben sind. Wenn man davon ausgeht, daß die Versorgungssituation hier noch als vergleichsweise gut eingestuft werden kann, so erlaubt der Tod gerade dieser Kinder einen Rückschluß auf die Behandlung der betroffenen Zwangsarbeiterinnen auf den Bauernhöfen, auf den fahrlässigen Umgang mit Geburten, möglicherweise auch mit "Sterbehilfe"? In einem Fall muß offen bleiben, wo die Mutter beschäftigt war.

Bei den zwölf anderen Sterbefällen ergibt sich folgendes Bild: Verstorben sind acht Männer und vier Frauen, es handelt sich dabei um fünf Russen, sechs Polen und einen Franzosen. Altersmäßig verteilen sich die Sterbefälle wie folgt:

  • 3 Personen im Alter von 20 - 29 Jahren,
  • 2 Personen im Alter von 40 - 49 Jahren,
  • 5 Personen im Alter von 50 - 59 Jahren,
  • 1 Person im Alter von 60 - 69 Jahren,
  • 1 Person im Alter von 80 Jahren.

Durch Unglücksfälle verstarben vier Personen: innere Blutungen nach Angriff eines Bullen, durch Stromschlag auf der Weide, Schädelbruch nach Sturz aus der Bodenluke und Schädelbruch infolge Unglücksfalls. Anhaltspunkte für Fremdverschulden liegen nicht vor. Amtliche Beerdigungsscheine des Amtsgerichtes Eutin liegen für die beiden letzten Fälle vor. In den anderen Fällen lagen folgende Todesursachen vor:

  • Schwangerschaftsblutung (24 Jahre alt),
  • Herzleiden (63 Jahre alt),
  • Altersschwäche (80 Jahre alt),
  • Herzklappenfehler, akute Herzschwäche (22 Jahre alt),
  • Alkoholvergiftung (56 Jahre alt),
  • Rippenfellentzündung (57 Jahre alt),
  • vermutlich Herzschlag (52 Jahre alt),
  • eine fehlende Angabe (56 Jahre alt).

Auf dem Friedhof in Ahrensbök gibt es sieben Zwangsarbeitergräber, die von der Gemeinde nach dem Gräbergesetz bis heute gepflegt werden. Inmitten der Grabkreuze steht ein Gedenkstein für sechs unbekannte KZ-Häftlinge, die bei Bokhof auf dem Weg von Auschwitz bis nach Holstein wegen ihrer Schwäche erschossen worden sind und auf dem Friedhof Ahrensbök bestattet wurden. Die Grabstätten der anderen fünf ebenfalls in Ahrensbök verstorbenen Zwangsarbeiter konnten nicht ermittelt werden.

Auf dem Friedhof der Kirchengemeinde Curau, die zum Teil zur politischen Gemeinde Ahrensbök gehört, befinden sich nur noch drei Zwangsarbeitergräber. Sie liegen entfernt von den übrigen Gräbern in der äußersten Nord-Ost-Ecke des Friedhofes. Eines der Gräber (allerdings in einem sehr schlechten Zustand) ist das von Janina Kaczmarek. Im zweiten Grab liegt eine Polin begraben, die nicht in der politischen Gemeinde Ahrensbök gemeldet war. Der Grabstein des dritten Grabes ist nicht mehr zu entziffern. Die anderen ursprünglich vorhandenen Grabstellen gibt es nach Miteilung der Kirchengemeinde Curau nicht mehr.

Auch auf dem Friedhof der Kirchengemeinde Sarau bestehen keine Grabstellen mehr. Die Aufhebung dieser Gräber stellt einen Rechtsverstoß dar, denn nach dem Gräbergesetz haben diese Gräber ein dauerndes Ruherecht. Insoweit besteht zugunsten des Landes, in dem das Grundstück (Grab) liegt, eine öffentliche Last.[32] Wo der an Alkoholvergiftung am 5.5.1945 in Heuerstubben verstorbene Pole bestattet worden ist, konnte nicht ermittelt werden. Zwei Grabstellen gibt es auf dem Ehrenfeld des Friedhofes in Eutin. In fünf weiteren Fällen war es nicht möglich, den Bestattungsort zu ermitteln.

Trotz der bis heute andauernden Betreuung der acht Gräber auf dem Friedhof Ahrensbök durch die politische Gemeinde Ahrensbök drangen diese Gräber nicht ins Bewußtsein der Bevölkerung. Erst seit 1997 wird am Totensonntag der hier verstorbenen Zwangsarbeiter und der Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz-Fürstengrube mit gedacht. Diese Geste über "unsere Toten" hinaus fand allerdings in der Gemeinde nicht überall Zustimmung. Und dennoch bleibt zu hoffen, daß die Einbindung auch dieser Menschen in das Gedenken mehr Akzeptanz findet.

Sterbefälle

Name Geboren Nation Gestorben Ursache Bestattungsort
Goch 18.12.41 Ahrensbök Polen 18.12.41 Ahrensbök Totgeburt unbekannt
David 05.02.42 Ahrensbök Polen 05.02.42 Ahrensbök Totgeburt Friedhof Curau, Grab nicht mehr vorhanden.
Dorozko, Adolf 1889 UdSSR 17.09.42 Ahrensbök, Schwochel Unglücksfall Friedhof Ahrensbök, Grab vorhanden.
Gorska 28.05.43 Ahrensbök Polen 28.05.43 Ahrensbök, Hörsten Totgeburt Friedhof Ahrensbök, Grab nicht nicht mehr vorhanden.
Holomesda, Wolodia 08.04.42 UdSSR 22.10.43 Ahrensbök Unterernährung Friedhof Ahrensbök, Grab nicht mehr vorhanden.
Antczak, Wladislaw 07.11.23 Hohensalza Polen 17.12.43 Ahrensbök, Vw. Ahrensbök Unglücksfall Friedhof Ahrensbök, Grab vorhanden.
Kaczmarek, Janina 24.04.20 Krs. Opoczno Polen 18.01.44 Ahrensbök, Dakendorf Schwangerschaftsblutung Friedhof Curau, Grab vorhanden.
Dulewicz, Walter 26.07.43 Eutin Polen 28.02.44 Ahrensbök, Vw. Neuhof Rachitis Friedhof Ahrensbök, Grab nicht mehr vorhanden.
Jakubczyk, Wladislawa 31.08.43 Ahrensbök, Holstendorf Polen 17.04.44 Ahrensbök Lungenentzündung Friedhof Ahrensbök, Grab nicht mehr vorhanden.
Banaciak, Ignacz 20.05.81 Chotiezub Polen 18.07.44 Ahrensbök, Hörsten Herzleiden Friedhof Ahrensbök, Grab vorhanden.
Sys, Jekatherina 1864 UdSSR 10.09.44 Ahrensbök Altersschwäche Friedhof Ahrensbök, Grab vorhanden.
Mielczarek 04.01.45 Ahrensbök, Barghorst Polen 07.01.45 Ahrensbök Atemlähmung Friedhof Ahrensbök, Grab nicht vorhanden.
Longis, Desiré 13.10.02 Frankreich 31.01.45 Ahrensbök, Siblin Unglücksfall Friedhof Sarau, Grab nicht mehr vorhanden.
Zatora, Stefan 01.11.03 Jakinowice Polen 22.02.45 Ahrensbök, Vw. Neuhof Unglücksfall Friedhof Ahrensbök, Grab vorhanden.
Stolarek, Lucia 15.03.44 Lübeck Polen 01.03.45 Ahrensbök Lungenentzündung Friedhof Ahrensbök, Grab nicht mehr vorhanden.
Dobnar, Felix 13.05.41 Minsk UdSSR 23.03.45 Ahrensbök Lungenentzündung Friedhof Ahrensbök, Grab vorhanden.
Piotrowska, Janina 10.07.23 Buninca/Pinsk UdSSR 23.03.45 Ahrensbök, Hörsten Herzschwäche Friedhof Ahrensbök, Grab vorhanden.
Milewski, Valentin 02.02.89 Sikowcz Polen 05.05.45 Ahrensbök, Heuerstubben Alkoholvergiftung unbekannt
Kulas, Kasimira 28.04.45 Ahrensbök, Bokhof Polen 13.05.45 Ahrensbök, Bokhof Lebensschwäche Friedhof Curau, Grab nicht mehr vorhanden.
Kulas, Josef 28.04.45 Ahrensbök, Bokhof Polen 13.05.45 Ahrensbök, Bokhof Lungenentzündung Friedhof Curau, Grab nicht mehr vorhanden.
Sadziak, Stanislaw 26.04.41 Ahrensbök Polen 23.06.41 Pönitz Brechdurchfall unbekannt
Lipka, Josef 15.06.86 Polen 19.11.43 Eutin Rippenfellentzündung Friedhof Eutin, Grab vorhanden.
Miezkewitsch, Maria 1888 UdSSR 20.02.44 Neustadt unbekannt unbekannt
Lagutowa, Jan 07.09.43 Ahrensbök UdSSR 27.10.44 Neustadt Diphterie etc. unbekannt
Misuna, Alexej 25.03.92 UdSSR 22.11.44 Eutin Herzschlag Friedhof Eutin.
Umez, Wladimir 1942 UdSSR 13.12.44 Lübeck offene Lungen-Tbc unbekannt
Pluta, Czesiek 03.03.45 Ahrensbök Polen 13.08.45 Timmendorfer Strand Atrophie, Dyspepsie, Pneumonie unbekannt


[32] Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz); Neufassung vom 29.1.1993 (BGBl. 1993 S.178 ff.).