3. Die Ausländermeldekartei

Mit der Ausländermeldekartei der Gemeinde Ahrensbök liegen relativ exakte Daten zu den einzelnen Nationen und zur Staatsangehörigkeit der Zwangsarbeiter vor, die sich von 1939 bis 1945 (und teilweise darüber hinaus) in Ahrensbök aufhielten.

Tschechoslowakei

Aus dem am 16.3.1939 proklamierten Protektorat Böhmen und Mähren werden als Fremdarbeiter lediglich vier Personen registriert: drei weibliche und ein männlicher Arbeiter. Sie sind in der Landwirtschaft zum Einsatz gekommen. Ein Ehepaar (1939 27 bzw. 30 Jahre alt) wird im Haushalt tätig; in den anderen Fällen handelt es sich um ledige Frauen im Alter von 22 bzw. 35 Jahren. Während bei dem Ehepaar die Angaben zum Zu- und Fortzug fehlen, ist aus der Meldekartei ersichtlich, daß die beiden Frauen jeweils für ein Jahr in Spechserholz bzw. in Grebenhagen beschäftigt waren (09/1939 - 08/1940 bzw. 02/1941 - 01/1942).

Polen

Mit dem Überfall auf Polen am 1.September 1939 wurde der Schritt zur Entfesselung des 2. Weltkrieges ausgelöst. Am 6.Oktober 1939 stellte Polen die letzten Kriegshandlungen ein. Die Regierung ging nach England ins Exil. Es gab also keine Kapitulation und auch keinen Friedensschluß. Der polnische Staat existierte de facto nicht mehr. Sein Staatsgebiet wurde zwischen der Sowjetunion und Hitler-Deutschland im Gefolge des Hitler-Stalin-Paktes aufgeteilt. Die deutsche Reichsgrenze wurde nach Osten verschoben. Die neuen Reichsgaue "Danzig-Westpreußen" und "Wartheland" entstanden. Die UdSSR verleibte sich vereinbarungsgemäß die 1918-1920 an Polen verlorenen Gebiete wieder ein. Restpolen unterstand als "Generalgouvernement" deutscher Herrschaft.

Mit der Unterwerfung Polens begann neben der Bevölkerungsverschiebung die Ausbeutung des Landes und seiner Bevölkerung, die in der Errichtung der zentralen Konzentrationslager als Massenvernichtungslager in Auschwitz, Treblinka oder Majdanek kulminierten. Die Aushebung von Zwangsarbeitern gehörte zu diesen Maßnahmen. Polen stellte mit ca. 1,7 Mio. Menschen nach der UdSSR die größte Anzahl.[28] Das spiegelt sich auch in den Zahlen von Ahrensbök: 454 Personen polnischer Nationalität enthält die Ausländermeldekartei. Acht von ihnen berücksichtigen wir nicht, weil sie erst nach der britischen Besetzung nach Ahrensbök kommen. Von den erfaßten Personen polnischer Nationalität waren 252 männlichen und 194 weiblichen Geschlechts.

Es fällt auf, daß alle Altersgruppen vertreten sind, wenn auch der Schwerpunkt deutlich bei den 16 - 40jährigen liegt. Von den 89 jungen Polen im Alter bis zu 15 Jahren sind allein 17 in der Gemeinde Ahrensbök geborene Kinder. Nicht erfaßt sind drei Totgeburten und weitere drei Kinder, die bereits kurze Zeit nach der Geburt verstorben sind (siehe Abschnitt 5).

Bemerkenswert ist, daß Kinder und Heranwachsende mit Arbeitsbuch-Nummern des Arbeitsamtes versehen arbeitsverpflichtet wurden. 15jährige Hausgehilfinnen und Landarbeiter ab 14 Jahren sind keine Seltenheit. Der Arbeitseinsatz polnischer Bürger beginnt bereits Ende 1939 und endet erst - ohne daß ein besonderer Schwerpunkt genannt werden kann - mit dem Kriegsende .

Von den 17 Sterbefällen werden neun in den Karteikarten vermerkt. 84 Personen verlassen Ahrensbök noch vor Kriegsende; darunter sind 34, die als nach Polen abgemeldet verzeichnet werden. Es gibt auch zwei Abgangsvermerke zum "Gefängnis Lübeck" und jeweils einen Vermerk "Lager Fürstenwalde" bzw. "Gestapo Lübeck". Nachfragen beim Schleswig-Holsteinischen Landesarchiv nach Aktenbeständen, die über das weitere Schicksal der Betroffenen Auskunft geben könnten, blieben bislang ohne Erfolg.

Bemerkenswert ist weiter, daß nicht nur Einzelpersonen zur Zwangsarbeit in Deutschland gepreßt worden sind, sondern oft ganze Familien bzw. Familienverbände. Familien mit mehreren Kindern bilden keine Seltenheit. Von einer registrierten polnischen Familie mit fünf Kindern werden drei in Ahrensbök geboren. Festzuhalten bleibt: Der weitaus größte Teil der polnischen Zwangsarbeiter wurde in der Landwirtschaft eingesetzt (308 Personen = rd. 72 %).

Dänemark und Norwegen

Am 9.4.1940 begannen die militärischen Maßnahmen zur Besetzung Dänemarks und Norwegens. Am 10.6.1940 kapitulierten die norwegischen Streitkräfte. Dänemark hatte die Besetzung unter Protest kampflos hingenommen. Die meisten Dänen, die nach Deutschland kamen, dürften freiwillig diese Entscheidung getroffen haben. Zwangsrekrutierungen sind für den Ahrensböker Bereich nicht anzunehmen, denn von den 11 in der Ausländermeldekartei registrierten Dänen besuchten fünf Mädchen im Alter von durchschnittlich 16 Jahren die Lehrerinnenbildungsanstalt Ahrensbök.[29] Alle Mädchen kamen aus Nordschleswig und waren vermutlich deutschorientiert. Die Aufenthaltsdauer dieser Personen betrug:

  • 1 Mädchen vom 18. 05. 1942 bis 11. 02. 1943
  • 3 Mädchen vom 04. 05. 1943 bis 01. 03. 1945
  • 1 Mädchen vom 25. 04. 1944 bis 28. 02. 1945

Gemeldet war weiter ab dem 1. 10. 1940 eine ledige Lehrerin, 29 Jahre alt, die am 30. 10. 1943 nach Haffkrug ging. Ob die Lehrerin an der ab dem 20. 6. 1940 in Ahrensbök eingerichteten Lehrerinnenbildungsanstalt beschäftigt war, konnte nicht geklärt werden. Zwangsmaßnahmen scheiden in diesen Fällen aus.

Gemeldet waren weiter:

  • 1 ledige Hausgehilfin, 22 Jahre alt, ab 05/1942 in Böbs
  • 1 lediger Melker, 27 Jahre alt, ab 09/1941 in Gießelrade
  • 1 Landwirt, 62 Jahre alt, ab 05/1942 in Tankenrade
  • 1 lediger Arbeiter, 24 Jahre alt, ab 03/1941 in Böbs (08/1941 Abmeldung zur SS nach Hbg.)
  • 1 lediger Schüler, 15 Jahre alt, ab 10/1941 (04/1941 Rückkehr nach Dänemark)

Auch in diesen Fällen sind Zwangsmaßnahmen nicht zu vermuten. Es liegt die Vermutung nahe, daß ohnehin deutschorientierte Bürger aus dem seit 1920 zu Dänemark gehörenden Nordschleswig in Deutschland bessere Arbeits- bzw. Ausbildungchancen für sich sahen.

Aus Norwegen ist niemand registriert.

Niederlande

Am 10.5.1940 erfolgte der Angriff auf Holland, Belgien und Frankreich. Die Niederlande kapitulierten am 15.5.1940, Belgien am 28.5.1940.

22 Niederländer, 20 Männer und 2 Frauen, kamen als Fremdarbeiter nach Ahrensbök. 1940 nahm eine 39 Jahre alte geschiedene Haushälterin von 03/1940 - 07/1940 in Grebenhagen und 05/1944 noch einmal kurzfristig in Gnissau eine Tätigkeit auf. Die Arbeitsaufnahme schon zwei Monate vor dem Angriff auf die Niederlande als auch der Name der Frau (Alma C. geb. Ritter, in Deutschland geboren) lassen darauf schließen, daß es sich um eine gebürtige Deutsche handelt, die nach Holland verheiratet war und nach ihrer Scheidung "als Holländerin" hier Arbeit suchte.

In einem anderen Fall stoßen wir auf ein Ehepaar. Die Frau ist aus Röbel, Kreis Eutin, jetzt Ostholstein, gebürtig. Der Ehemann stammt aus Holland und ist seit 07/1940 in Ahrensbök beschäftigt. Für die Ehefrau fehlen nähere Angaben. Offenbar war sie nicht berufstätig. Zu vermuten ist, daß es das Ehepaar nach dem Angriff auf die Niederlande vorgezogen hat, seinen Wohnsitz nach Deutschland zu verlegen, um Konflikten wegen der Nationalität der Ehefrau in den Niederlanden aus dem Weg zu gehen oder aber in Ahrensbök eine bessere Arbeitsstelle zu suchen.

Die Anzahl der arbeitsverpflichteten Niederländer muß so auf 19 Männer reduziert werden. Die meisten von ihnen (13 Männer) kamen erst in der zweiten Jahreshälfte 1943 nach Ahrensbök .

Das Alter der niederländischen Fremdarbeiter lag schwerpunktmäßig bei 20 Jahren. Es handelte sich überwiegend um (landwirtschaftliche) Arbeiter und Handwerker. Allerdings war auch ein promovierter Chemiker dabei, der vermutlich bei den Globuswerken - zusammen mit fünf weiteren Arbeitern - zum Einsatz gekommen ist. Die anderen Fremdarbeiter aus den Niederlanden wurden in der Landwirtschaft eingesetzt.

Belgien

Insgesamt 39 Belgier(-innen) wurden beginnend ab 05/1941 in Ahrensbök als Fremdarbeiter eingesetzt. In einem Fall handelte es sich um ein Ehepaar, das erst im November 1944 nach Ahrensbök kam. Beide waren zu dem Zeitpunkt 52 bzw. 50 Jahre alt. Das Lebensalter der übrigen (männlichen) Fremdarbeiter lag schwerpunktmäßig zwischen 26 und 40 Jahren (= 26 Personen). Die überwiegende Zahl der Fremdarbeiter (= 33 Personen) kam am 19. 5. 1941 nach Ahrensbök. Sie gingen neben drei weiteren Arbeitern bei der Flachsröste Ahrensbök einer Beschäftigung nach. Bemerkenswert ist, daß 10 Arbeiter bereits vor dem Kriegsende nach Belgien zurückkehren konnten, und zwar:

  • 5 Personen in 11/1941
  • 2 Personen in 07/1942
  • 1 Person in 12/1942
  • 1 Person in 10/1943
  • 1 Person in 03/1944

Möglicherweise handelte es sich um qualifizierte "zivile" Arbeitskräfte, die von der Flachsröste angeworben und nicht zwangsrekrutiert wurden.

Frankreich

Der Angriff auf Belgien und die Niederlande vom 10.5.1940 richtete sich vornehmlich gegen Frankreich. Er hatte strategische Gründe. Nach bereits sechs Wochen wurde am 22.6.1940 der Waffenstillstand mit Frankreich geschlossen.

Die Ausländermeldekartei enthält 18 Personen (17 Männer und 1 Frau) mit französischer Nationalität. Die Frau, zum Zeitpunkt des Zuzugs im Juni 1944 21 Jahre alt, hatte im Monat zuvor in Hamburg einen Sohn geboren. Sie war als Hausgehilfin zunächst in Böbs, dann in Schwochel und schließlich in Barghorst tätig.

Das Alter der Fremdarbeiter lag in der übergroßen Zahl zwischen 21 und 40 Jahren. Die Zuweisung nach Ahrensbök erfolgte fast ausschließlich 1943. Eingesetzt wurden die französischen Fremdarbeiter vorwiegend in gewerblichen Betrieben. Nur zwei waren in der Landwirtschaft tätig.

Neben den zivilen Fremdarbeitern gab es eine größere, jedoch nicht bekannte Anzahl französischer Kriegsgefangener, die in Ahrensbök zum Einsatz gekommen sind.

Jugoslawien

Am 6.April 1941 erfolgte der Angriff auf Jugoslawien und Griechenland. Am 17.April 1941 kapitulierte die jugoslawische Armee.

Die Ausländermeldekartei umfaßt 24 Personen mit jugoslawischer Staatsangehörigkeit; davon drei Frauen. Bereits vor dem Beginn des Krieges waren elf Personen (darunter eine Frau) in Ahrensbök beschäftigt. Ein Teil von Ihnen ist noch vor dem Angriff auf Jugoslawien in die Heimat zurückgekehrt. Sechs weitere Personen nahmen zwischen dem 1.9.1939 und dem 6.4.1941 eine Arbeit in Ahrensbök auf, gingen jedoch zumeist ebenfalls bis zu dem letztgenannten Zeitpunkt zurück in die Heimat. Alle diese Personen scheiden für eine Klassifizierung als Zwangsarbeiter aus.

Es verbleiben als zu berücksichtigende Personen somit lediglich sieben Personen (5 Männer und 2 Frauen). Diese kamen in den Monaten Mai bis August 1941 nach Ahrensbök, wobei zwei aufgrund ihrer kroatischen Nationalität (am 9.7.1941 wurde mit deutscher Unterstützung der unabhängige Staat Kroation unter Ante Pavelic gebildet) wieder in ihre Heimat zurückkehrten.

Fünf Personen arbeiteten in der Landwirtschaft, einer auf der Flachsröste und eine Frau als Hausgehilfin in Gießelrade. Vier waren zwischen 16 und 20 Jahre alt, drei zwischen 31 und 40.

UdSSR

Am 22.Juni 1941 begann der Angriff auf die UdSSR. Das Konzept des Blitzkrieges blieb nach den Anfangserfolgen etwa 30 km vor Moskau stecken. Die Katastrophe von Stalingrad und der Kriegsverlauf um den Jahreswechsel 1942/43 brachte die sichtbare Wende des Krieges. Im Spätsommer 1942 hatte das Deutsche Reich seine größte Machtausdehnung erreicht.

Von den rund 5,7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen kamen ungefähr 3,3 Millionen durch Hunger, Seuchen und Vernichtung um. Erst ab 1943 wurden verstärkt sowjetische Kriegsgefangene als dringend benötigte Arbeitskräfte herangezogen. Neben dem rassebiologischen Vernichtungskrieg im eroberten Raum (von etwa drei Millionen Juden kamen etwa 2,8 Millionen zu Tode) wurden die eroberten Gebiete durchgekämmt, um nunmehr dringend benötigte Arbeitskräfte "auszuheben". Mit 2,8 Millionen Menschen stellte die UdSSR das größte Kontingent.[30] Das spiegelt sich auch in der Ausländermeldekartei Ahrensböks: 665 gemeldete Personen, 234 Männer und 431 Frauen, kamen aus der Sowjetunion. Eingerechnet sind 153 Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 15 Jahren, davon sieben in Ahrensbök geborene Kinder.

Hinsichtlich der Altersstruktur ergibt sich folgendes Bild: 427 Personen waren 16 - 40 Jahre alt, 85 Personen waren älter. Dabei muß berücksichtigt werden, daß eine ganze Anzahl jüngerer Menschen arbeitsverpflichtet waren (z.B. Anna Djomka, geb. im Juni 1933, die zusammen mit ihren Eltern am 23.10.1943 angemeldet wurde. Für alle diese Personen ist eine Arbeitsbuch-Nr. vermerkt! Wenn diese Arbeitsbuch-Nr. zugleich mit der Anmeldung notiert worden ist, würde das bedeuten, daß Anna bereits im Alter von zehn Jahren arbeitsverpflichtet worden ist). Kaum glauben mag man es, daß alle vier Kinder der Familie Trusch eine Arbeitsbuch-Nr. erhalten haben. Das jüngste Kind, Sonja, geb. am 1.1.1935, Meldedatum 18.6.1943, war somit erst acht Jahre alt! Arbeitsverpflichtungen mit 14 oder 15 Jahren waren allerdings keine Seltenheit.

Auffällig ist auch hier (wie schon bei den Polen), daß ganze Familien (-verbände) arbeitsverpflichtet worden sind :

  • 15 Familien(-verbände) mit 2 Personen
  • 18 Familien(-verbände) mit 3 Personen
  • 9 Familien(-verbände) mit 4 Personen
  • 11 Familien(-verbände) mit 5 und mehr Personen.

Der Familienverband Umez umfaßte sogar 25 Personen. Alle Arbeitsverpflichteten der Familien Umez waren in der Flachsröste Ahrensbök eingesetzt worden.

Der erste große Schub von Zwangsarbeitern aus der UdSSR kam im 2. Quartal 1942 (128 Personen). Zwei weitere größere Zugänge sind im 2. Quartal 1943 (125 Personen) und im 3. Quartal 1944 zu verzeichnen. Abmeldungen gibt es praktisch erst ab Mitte 1944. Hierbei handelte es sich jedoch um sechs Sterbefälle und um Zuweisungen an andere Arbeitsplätze außerhalb des Gemeindegebietes. Auffällig ist eine Verlegung von 18 Arbeitskräften am 7.6.1944 nach Dissau in der Nachbargemeinde Stockelsdorf. Zu nennen ist aber auch eine Abmeldung unter dem 9.12.1944 "in das Gefängnis Lübeck" (Wasil Himbizki). Auch in diesem Fall waren Akten im Landesarchiv Schleswig nicht aufzufinden, so daß über das weitere Schicksal des Betroffenen nichts ermittelt werden konnte.

Zum Einsatz kamen die Zwangsarbeiter aus der UdSSR überwiegend in der Landwirtschaft (370 Personen). 209 Personen wurden in örtlichen Betrieben beschäftigt und nur 5 Frauen waren in Haushalten eingesetzt worden.

Baltische Staaten (Litauen, Lettland, Estland)

Im deutsch-sowjetischen "Grenz- und Freundschaftsvertrag" vom 28.9.1939 waren die drei baltischen Staaten der sowjetischen Einflußsphäre zugewiesen worden. Der von sowjetischer Seite auf diese Länder schon bald einsetzende Druck führte im August 1940 zur Eingliederung in die UdSSR. Mit dem Überfall Deutschlands auf die UdSSR teilten die ehemaligen baltischen Staaten auch deren Schicksal.

Von den neun aus Litauen gemeldeten Personen werden zwei Familien mit zusammen sechs Personen ausdrücklich als Flüchtlinge bzw. Vertriebene bezeichnet. Auch die Zuzugsdaten (11/1944 und 02/1945) machen deutlich, daß es sich bei diesen Personen nicht um Zwangsarbeiter handeln kann. Lediglich ein 25 Jahre alter landwirtschaftlicher Arbeiter könnte als Zwangsarbeiter rekrutiert worden sein.

Von den 32 aus Lettland gemeldeten Personen werden 13 ausdrücklich als Flüchtlinge bezeichnet. Zehn weitere Personen sind erst gegen Kriegsende, zumeist im Februar 1945, nach Ahrensbök gekommen. Beide Personengruppen scheiden somit als mögliche Zwangsarbeiter aus. Es bleiben damit zehn Personen, die zumeist in der ersten Jahreshälfte 1942 nach Ahrensbök gekommen sind; für vier ist eine Arbeitsbuch-Nr. vermerkt.

Ähnlich sind die Fälle auch aus Estland zu beurteilen. Von den elf Personen sind zwei Familien mit zusammen sechs Personen als Flüchtlinge vermerkt. Zwei andere Personen sind erst Ende September 1944 bzw. im März 1945 zugezogen und scheiden somit ebenfalls als Zwangsarbeiter aus. Lediglich zwei Männer, die als Arbeiter in der Landwirtschaft eingesetzt waren, kommen als Zwangsarbeiter in Betracht. Sie kamen im März 1942 und waren zu dem Zeitpunkt 21 bzw. 18 Jahre alt.

Italien

Der Bündnispartner Hitlers, Mussolini, wurde am 24./25.7.1943 gestürzt. Die nachfolgende Regierung (Badoglio) kapitulierte am 8.9.1943. Daraufhin löste Deutschland die vorbereiteten Gegenmaßnahmen aus: Entwaffnung und Gefangennahme oder Entlassung der italienischen Soldaten; Besetzung Roms und Verlegung weiterer Verbände nach Oberitalien; Rekrutierung von Zwangsarbeitern.

In der Ausländermeldekartei befinden sich vier männliche Fremdarbeiter, die erst Anfang 1945 in der Landwirtschaft eingesetzt worden sind.

Ungarn

Ungarn war Verbündeter Deutschlands. Anfang 1944 suchte Ungarn angesichts des sich abzeichnenden Endes des Weltkrieges einen Sonderfrieden mit den Alliierten zu erreichen. Hitler erzwang die Besetzung Ungarns am 19.3.1944 und setzte eine "nationale" Regierung ein.

19 Fremdarbeiter (13 Männer und 6 Frauen) kamen aus Ungarn nach Ahrensbök. Die meisten von ihnen waren seit Herbst 1941 nahezu ausschließlich in der Landwirtschaft tätig. Eine Familie mit einem Sohn und ein lediger Arbeiter (also zusammen vier Personen) kehrten bald nach Ungarn zurück. Eine weitere Person kam nicht aus dem Urlaub zurück und zwei andere Personen sind "unabgemeldet" verzogen, also vermutlich auch in die Heimat zurückgekehrt.

12 Personen blieben in Ahrensbök. Sie alle kamen jedoch überwiegend schon 1941, nur in Einzelfällen 1942 und 1943, nach Ahrensbök, also während einer Zeit, als Ungarn noch Verbündeter Deutschlands war. Diese Personen sind aber ganz offensichtlich nicht zur Arbeit in Deutschland gepreßt worden. Sie sind offenbar angeworben worden, weil in Deutschland Arbeitskräfte dringend benötigt wurden. Ihr Einsatz erfolgte ganz überwiegend in der Landwirtschaft. Diese Personen sind nicht in die Liste der Zwangsarbeiter aufgenommen worden, obwohl sich der Status dieser Arbeiter nach der Besetzung Ungarns und dem Einsetzen einer Deutschland genehmen Regierung im März 1944 möglicherweise nachteilig geändert haben könnte.


[28] Herbert: "Fremdarbeiter" (wie Anmerkung 7), S.316.

[29] Renate Gayny: "Es waren keine guten Jahre" (bearbeitet von Gerhard Hoch), in: Informationen zur schleswig-holsteinischen Zeitgeschichte 19/1990 und Jürgen Brather: "Ahrensbök in der Zeit von 1919-1945", Lübeck 1998, S.309 ff..

[30] Herbert: "Ausländereinsatz" (wie Anmerkung 5), S.15. Vgl. grundsätzlich hierzu Christian Streit: "Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941-1945", Stuttgart 1978.