Repatriierung

 „Die Schwerverletzten und völlig Behinderten haben das Lager mit Aussicht auf baldige Überführung in die Heimat bereits verlassen“ (22. 11. 1940). Diese Heimsendung (Repatriierung) war im Genfer Abkommen unter dem Titel „Beendigung der Gefangenschaft“, Abschnitt 1 „Heimsendung und Unterbringung in einem neutralen Lande“ (Art. 68-74) geregelt. „Die Kriegführenden sind verpflichtet, schwerkranke und schwerverwundete Kriegsgefangene, nachdem sie sie transportfähig gemacht haben, ohne Rücksicht auf Dienstgrad und Zahl in ihre Heimat zurückzusenden“ (Art. 68). Neben dem Lagerarzt entschied in Zweifelsfällen eine gemeinsame Ärztekommission, die aus zwei Ärzten eines neutralen Staates und einem der Gewahrsamsmacht bestand, mit Stimmenmehrheit über die Entlassung (Art. 69, 70).

Die Repatriierung im Stalag XA erfolgte nicht immer regelmäßig und zügig, wie das Abkommen es verlangte. Bericht vom 28. 7. 1941: „Es wird signalisiert, daß die Fristen für die Rückführung von Kranken (diese werden im Lager Sandbostel versammelt) viel zu lang sind.“ Bericht vom 18. 11. 1941: „Die Franzosen, die dienstuntauglich sind, werden regelmäßig evakuiert.“ Bericht vom 18. 4. 1944 über das Reservelazarett II in Schleswig: „Früher hat die Anerkennung unter Schwierigkeiten stattgefunden, im Moment läuft es normal.“

Bericht vom 10. 3. 1945: „Die deutschen Stellen lassen zu, daß die Magengeschwürfälle ins Reservelazarett von Sandbostel geschickt werden, aber sie werden anschließend nicht repatriiert. Die Tb-Kranken werden nach Sandbostel oder Nienburg geschickt und ebenfalls nicht entlassen.“

Um die Anerkennung zur Repatriierung zu erleichtern, gab es eine Anlage zur Genfer Konvention, die „Mustervereinbarung, betreffend die unmittelbare Heimsendung der Kriegsgefangenen und ihre Unterbringung  im neutralen Lande aus gesundheitlichen Gründen.“ Hier wurden die Bedingungen näher beschrieben und Krankheiten benannt, die die Entlassung aus der Gefangenschaft bewirken sollten. Ausführungen werden u.a. auch zur Tuberkulose getroffen: „Fortgeschrittene Tuberkulose irgendwelcher Organe (...) sollte Grund für eine Heimsendung sein" (II, A, 3a). „Alle Formen von Tuberkulose irgendwelcher Organe, die nach bestehenden ärztlichen Erfahrungen durch die im neutralen Lande bestehenden Hilfsmittel (Hochgebirge, Sanatoriumsaufenthalte usw.) der Heilung oder wenigstens erheblichen Besserung zugeführt werden können,“ sollten eine Unterbringung im neutralen Lande auslösen (II, B, 1). Unter dem Abschnitt III „Allgemeine Bemerkungen“ heißt es u.a. (...) „Die oben festgelegten Bestimmungen sollen im allgemeinen in möglichst weitherziger Weise ausgelegt und angewendet werden. Diese Weitherzigkeit der Auslegung soll insbesondere (...) für die Tuberkulose in allen Stadien angewendet werden.“

Die Beachtung dieser Bestimmung wurde im Stammlager XA nicht „in möglichst weitherziger Weise“ befolgt. Im Bericht vom 22. 11. 1940 war beschrieben worden, dass fünf Franzosen gestorben waren, zwei davon an Tbc. Diese „Gefangenen waren bereits schwerkrank im Lager angekommen“, sie hätten eigentlich sofort repatriiert werden müssen. Bis zum 3. 7. 1941 verschieden 25 Franzosen an Tbc.

Der Ausnutzung der Arbeitskraft wurde mehr Wert geschenkt als der Gefahr einer Tbc-Erkrankung. Die Ablösung aus den Kommandos wurde oft im letzten Moment durch das Arbeitsamt bzw. den Arbeitgeber verhindert (16. 4. 1943; 18. 4. 1944).

„Die Ärzte signalisierten Fälle von Tbc: Oft genug müssen die Gefangenen sehr lange in ihren Arbeitskommandos warten, bis [sie] die Möglichkeit einer Untersuchung erhalten. Man schenkt hier den Schwächezuständen, die ohne klinische, radiologische oder laboratorische Anzeichen erfolgen, ebenso wie Rippen- und Brustfellentzündungen, zu wenig Beachtung. Es ist schwierig für die Ärzte, die Kranken lange genug im Lager zu behalten, um sie beobachten zu können. Der Mann wird in der Tat so bald wie möglich wieder einem Arbeitskommando zugeteilt“ (28. 7. 1941).

Artikel 2 bestimmte zweifelsfrei, dass die Kriegführenden nur gesunde Gefangene als Arbeiter verwenden durften.

 

Schlussbemerkung

 Dieser Artikel konnte die Geschichte des Stammlagers XA nur in einzelnen Aspekten und nicht abschließend beleuchten. Hierzu waren die Lebensbedingungen in den Kommandos zu unterschiedlich und die Anzahl der Kommandos zu hoch. Auch die durch die Quellenlage bedingte Beschränkung der Aussagen, die überwiegend die französischen Kriegsgefangenen betreffen, erfordern eine weitere Forschung über das Schicksal der Gefangenen im Stammlager XA.