Einsatz der Unteroffiziere

„Schon im Jahre 1941 haben die Deutschen einen direkten Druck auf die Unteroffiziere ausgeübt, um sie zu zwingen, produktive Arbeiten für die deutsche Kriegswirtschaft zu leisten. Nach dem Mißlingen der Propagandamethoden nahm dieser Druck die Form von Repressalien an. Die widerspenstigen Unteroffiziere wurden misshandelt, sie werden in besondere Lager wie zum Beispiel Coberczyn geschickt, wo sie besonderen disziplinarischen Maßnahmen unterworfen wurden.“[63]

Diese Ausführungen während der Beweisaufnahme vor dem Internationalen Militärischen Gerichtshof in Nürnberg wurden als belegt angesehen und mit ins Urteil übernommen.[64]

Diese Praxis verstieß gegen Artikel 27, Absatz 3: „Die kriegsgefangenen Unteroffiziere können nur zum Aufsichtsdienst herangezogen werden, es sei denn, sie verlangten ausdrücklich eine entgeldliche Beschäftigung.“ Die Aussage (21. 6. 1941), die Unteroffiziere, die nicht freiwillig arbeiten wollten, seien zum Stammlager XB dirigiert worden, erweckt den Eindruck, dass Verstöße gegen Artikel 27 im Stalag XA umgangen wurden. Das Ziel des Umgehens wird deutlich im Bericht vom 28. 7. 1941: „Viele von denen, die die Anordnungen der Genfer Konvention nutzen möchten, sind zum Stammlager XB, Sandbostel, beordert worden, wo sie nach freiem Willen oder unter Zwang beschäftigt wurden.“

Doch auch im Stalag XA wurden Unteroffiziere zur Arbeit gezwungen. Nichtarbeitswillige von ihnen wurden auf Arbeitskommandos geschickt (3. 7. 1941). Die Besuchsdelegation des 18. 4. 1944 berichtet, dass weiterhin Unteroffiziere zur Arbeit gezwungen werden, trotz der Bestimmung, dass diese nur freiwillig und mit schriftlichem Vertrag erfolgen darf.

Auch das Stammlager XA scheint ein Straflager für „widerspenstige Unteroffiziere“ besessen zu haben. „Man hat uns außerdem auf das Arbeitskommando Nr. 1023 XA in Broweg aufmerksam gemacht, wohin eine bestimmte Anzahl von Unteroffizieren, welche nicht bereit waren zu arbeiten, Anfang Juli 1941 absolut gegen ihren Willen geführt wurden. Sie werden dort 10 ¼ Stunden pro Tag zu harter Arbeit gezwungen (Bau eines Kanals). Sie werden sehr hart angefasst, und einige von ihnen sind brutal geschlagen worden. Die Brutalität der Aufseher dieses Arbeitskommandos ist allen Gefangenen bekannt und ruft tiefe Schreckensvorstellungen hervor. Der deutsche Kommandant hat sich im Laufe des Gesprächs in diesem Punkt sehr reserviert gezeigt und erklärt, daß sich die Unteroffiziere, welche zum Arbeitskommando Nr. 1023 geschickt wurden, der Meuterei schuldig gemacht hätten“ (28. 7. 1941).

Im März 1945 scheint es erneut zu einem massiven Verstoß gegen die Konvention gekommen zu sein: „Der Vertrauensmann hat den Fall des Pinson Jean bekannt gemacht, der von einer Wache niedergeschossen [abattu, R. S.] worden ist, weil er als Unteroffizier die Arbeit verweigert hat. Der Delegierte hat den Fall dem Kommandanten unterbreitet, der erklärt hat, der Gefangene sei bei einem Ausbruchsversuch getötet worden“ (10. 3. 1945).

 

Sanitätspersonal

Das Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Heere im Felde vom 27. 7. 1929 regelte in verschiedenen Artikeln auch die Behandlung des Sanitätspersonals.

Im ersten Kapitel „Verwundete und Kranke“ (Art. 1) wurde festgelegt, dass der Staat, der gezwungen ist, Verwundete oder Kranke dem Gegner zu überlassen, verpflichtet ist, einen gewissen Anteil Sanitätspersonal und -ausrüstung zu deren Versorgung zu stellen. Deutlich wurde jedoch betont, dass diese nicht als Kriegsgefangene zu behandeln seien (3. Kap., Art. 9). Dieses Personal und Sanitäter, die in Gefangenschaft geraten waren und nicht zur Pflege der Landsleute benötigt wurden, durften nicht über einen längeren Zeitraum zurückgehalten werden (3. Kap., Art. 12). Um eine Erkennung als Sanitätspersonal zu ermöglichen, erhielten diese Ausweise (6. Kap., Art. 31).

Im Bericht des IKRK vom 22. 11. 1940 war die Bitte vorgetragen worden, dass die französischen Kriegsgefangenen von Ärzten behandelt werden möchten, die ihre Landsleute sind. Der Bericht (21. 6. 1941) gibt an, dass dieser Bitte entsprochen wurde und dass im Moment 3 französische Ärzte im Revier tätig wären. Am 18. 11. 1941 wird mitgeteilt, dass ein französischer Arzt, ein Zahnarzt und 15 Sanitäter dort arbeiteten. Ob die Zahl 15 zu groß oder zu klein war, ist später schwer feststellbar.

Der Bericht vom 3. 7. 1941 stellt fest, dass Sanitäter zum Arbeitseinsatz auf die Kommandos geschickt worden seien. Dies ist ein Verstoß gegen Art. 9 und 12 des Abkommens (z.V.). Die Art und Weise, wie diese Sanitäter behandelt wurden, ebenfalls. Man hatte ihnen ihre Ausweispapiere abgenommen. Im Art. 21 heißt es u.a.: „In keinem Falle dürfen dem Sanitätspersonal seine Abzeichen oder die ihm gehörigen Personalausweise weggenommen werden.“ Artikel 30 der Genfer Konvention legte fest, dass festgestellte Verstöße möglichst schnell zu beseitigen wären. Die am 18. 11. 1941 im Revier gemeldeten 15 Sanitäter könnten das Ergebnis dieser Bestimmung sein.

Verletzungen gegen die Behandlung des Sanitätspersonals scheinen gegenüber den französischen aber keine Ausnahme gewesen zu sein. So wird z.B. am 25. 6. 1943 Klage darüber geführt, dass im Kommando 1092 Kiel Sanitäter zur Arbeit gezwungen worden waren. Auch aus Ahrensburg ist ein ähnlicher Fall ohne Datumsangabe überliefert.  

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[63] IMG, Nürnberg 1947, Bd. 5, S. 529f

[64] IMG, Nürnberg 1947, Bd. 1, S. 276

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